Vattenfall verklagt Deutschland Fünf Milliarden für Atomausstieg?
Wegen des Atomausstiegs fordert der schwedische Energiekonzern Vattenfall von der Bundesrepublik Deutschland fast fünf Milliarden Euro Schadenersatz. Verhandelt wird vor einem Schiedsgericht in den USA. Das ist auch mit Blick auf das Handelsabkommen TTIP hochbrisant.
Der schwedische Energiekonzern Vattenfall verklagt die Bundesrepublik Deutschland auf fast fünf Milliarden Euro Schadenersatz. Grund ist der Ausstieg aus der Atomenergie, den Deutschland im Zuge der Reaktor-Katastrophe im japanischen Fukushima 2011 beschlossen hatte. Mit der Entscheidung hatte die Bundesregierung eine ein Jahr zuvor beschlossene Laufzeitverlängerung der Atommeiler rückgängig gemacht.
Vattenfall behauptet, man habe - in der Annahme, dass seine AKW noch lange Jahre am Netz bleiben würden - viel Geld für seine Kraftwerke in Brunsbüttel und Krümmel ausgegeben. Nach dem Unglück in Japan waren diese jedoch stillgelegt worden. Diesen Ausfall will der Konzern nun von der BRD zurückbekommen: "Wir haben aber immer betont, dass wir eine faire Kompensation für den entstandenen finanziellen Schaden erwarten", erklärte eine Konzernsprecherin.
Klage vor Bundesverfassungsgericht
Die Bundesregierung hält ihr Vorgehen für völkerrechtlich legitim und die Klage für unbegründet. Weil der Energiekonzern aus Schweden stammt, kann er Deutschland anders als die deutschen Energiekonzerne E.ON, EnBW und RWE vor dem internationalen Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten in der US-Hauptstadt verklagen. Die deutschen Unternehmen haben - genau wie Vattenfall auch - zwar vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Klage auf Schadenersatz wegen des beschleunigten Atomausstiegs eingereicht. Diesem Verfahren räumen Beobachter jedoch eher geringe Erfolgsaussichten ein.
Vor dem ICSID in Washington sieht die Sache dagegen anders aus, sagen Experten. Die Schweden könnten geltend machen, dass die nachträgliche Begrenzung der Laufzeiten "ungerecht und unbillig" sei, schrieb etwa Experte Hans-Georg Dederer von der Universität Passau, nachdem Vattenfall die Schiedsklage 2012 einreichte.
Streitpunkt Schiedsgerichte
Das Verfahren ist vor allem mit Blick auf das Handelsabkommen TTIP brisant. Schiedsgerichte sollen mit dem Abkommen fest verankert werden zur Lösung von Rechtsstreitigkeiten. Diese Gerichte eröffnen ausländischen Konzernen die Möglichkeit, Staaten außerhalb von deren nationalen Rechtssystemen in Regress zu nehmen. Kritiker sehen die Einrichtungen als verlängerten Arm der internationalen Großkonzerne und stellen ihre Legitimität grundsätzlich in Frage. Sie befürchten eine Aushöhlung der staatlichen Gesetzgebungskompetenz.
Die mündliche Anhörung läuft noch bis zum 21. Oktober. Mit einem Urteil ist erst im kommenden Jahr zu rechnen. Doch unabhängig wie das Verfahren ausgeht - schon jetzt kostet der Prozess den Steuerzahler Geld. Die Klage habe der Bundesregierung bereits mehr als acht Millionen Euro an Verfahrenskosten verursacht, hieß es im Sommer in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion.