E-Auto-Stationen an Autobahnen Nicht mal einen Kaffee beim Laden?
Verdreckte Toiletten, nichts zu trinken, nichts zu essen: Schon jetzt mag kaum jemand auf nicht bewirtschafteten Rastplätzen des Bundes halten. Doch ausgerechnet hier sollen viele neue E-Ladestationen entstehen.
E-Autos boomen. Die Zahl der neuen Elektroautos auf deutschen Straßen ist im vergangenen Jahr um mehr als 80 Prozent gewachsen. Die Zahl der Ladepunkte nahm gleichzeitig aber nur um 28 Prozent zu. Der dringend notwendige Ausbau der Ladesäulen kommt nicht hinterher. Derzeit gibt es für rund 650.000 Elektroautos hierzulande nur etwa 52.000 öffentliche Ladepunkte. Sie fehlen insbesondere auf der Autobahn: Auf der Langstrecke braucht man mehr Energie, muss also auch öfter laden.
"Deutschlandnetz" für fast zwei Milliarden Euro
Die Bundesregierung will abhelfen - mit dem "Deutschlandnetz". Kosten für den Steuerzahler: mehr als 1,9 Milliarden Euro. Bis Ende 2023 sollen mindestens 1000 neue Schnell-Ladestandorte gebaut werden: 800 bis 900 in Städten und Kommunen, 200 direkt an der Autobahn. Doch so, wie der Plan für das "Deutschlandnetz" derzeit aussieht, könnten entlang der Autobahn etliche Investitionsruinen entstehen. Denn die E-Autofahrer hat offenbar niemand nach ihren Erfahrungen und Bedürfnissen gefragt.
Petra Gottwald aus Rüsselsheim fährt seit sechs Jahren vollelektrisch. Die Chefredakteurin eines Fachmagazins für Fertigungstechnik ist beruflich viel auf der Autobahn unterwegs. Mit ihrem E-Auto fährt sie rund 40.000 Kilometer im Jahr. Das verlangt der technikbegeisterten Ingenieurin oft Geduld, Planung und Wartezeit ab. "Auf langen Strecken ist es immer noch eine Herausforderung, Ladesäulen zu finden." Es gebe noch nicht ausreichend von ihnen. "Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass bald deutlich mehr Ladesäulen kommen," sagt Gottwald. Das Problem hat noch die alte Bundesregierung erkannt und den Plan für das "Deutschlandnetz" ausgeschrieben. Allein an der Autobahn sollen 200 neue Schnellladestandorten gebaut werden. Der Haken: ausschließlich auf den unbeliebten, nicht bewirtschafteten Rastplätzen.
Exklusivrechte für Raststättenbetreiber
An der Ausschreibung beteiligt sich auch der niederländische Ladesäulenbetreiber Fastned. Das Unternehmen baut seit zehn Jahren in sechs europäischen Ländern Schnellladeparks und hat die Wünsche seiner Kunden genau analysiert, wie Unternehmenssprecherin Linda Boll erklärt: "Man soll nicht im Regen stehen, man soll sich gerne aufhalten, es soll hell ausgeleuchtet sein, man soll saubere Anlagen finden, und man soll idealerweise auch einen Snack, einen Kaffee und eine saubere Toilette finden." Alles Dinge, die es auf den Rastplätzen des Bundes eben nicht gibt. Essen oder Getränke kann man nicht einmal an Automaten kaufen. Und das soll laut Ausschreibung auch so bleiben.
Auf hr-Anfrage, warum neben Ladesäulen auf den bundeseigenen Rastplätzen keine Gastronomie angeboten werden darf, teilt das Bundesverkehrsministerium mit: "Für die Art der Leistungen - wie zum Beispiel der Verkauf von Essen und Getränken - sind die rechtlichen Rahmenbedingungen maßgeblich." Soll heißen: Essen und Getränke dürfen auf den Rastplätzen nicht angeboten werden, weil der Bund den Betreibern von Raststätten vertraglich zugesichert hat, dass nur sie das dürfen.
Neben Zapf- und Ladesäulen auch Gastronomie anzubieten, sei das Exklusiv-Recht der Tank und Rast GmbH, betont Andreas Rehm, Geschäftsführer des Unternehmens, das etwa 90 Prozent aller bewirtschafteten Raststätten betreibt: "Der Gesetzgeber unterscheidet ganz bewusst zwischen bewirtschafteten Rastanlagen und unbewirtschafteten Rastanlagen. Und diese Unterscheidung gilt es auch weiterhin zu berücksichtigen." Tank und Rast bietet an etwa 370 seiner rund 400 Raststätten gut 1400 Ladepunkte an. Damit beherrscht das Unternehmen nicht nur den Markt für Verbrenner-Fahrer, sondern auch für E-Autofahrer an der Autobahn.
Kritik von Verbänden und Konkurrenzunternehmen
Das wollen Unternehmen Ladesäulenbetreiber wie Fastned nicht hinnehmen. Ihre Forderung: Die Ausschreibung müsse nachgebessert werden. "Für den Erfolg und die Attraktivität der E-Mobilität ist es unerlässlich, dass neben dem Laden auch zusätzliche Angebote gemacht werden können," erklärt Unternehmenssprecherin Boll. Auch Adrian Zierer, Geschäftsführer des Ladesäulenbauers Charge Construct aus Ingolstadt, fordert eine offenere Ausschreibung: "Die Autobahn GmbH und die Ausschreibungsstatuten verhindern, dass auf den Rastplätzen des Bundes neben den Ladesäulen auch Essen und Getränke angeboten werden dürfen." Zierer kritisiert weiter: "Die Autobahn GmbH sieht die Ladelösungen an den Rastplätzen des Bundes als Notnagel, falls Fahrerinnen und Fahrer von Elektrofahrzeugen es nicht mehr auf einen 'ordentlichen' Rastplatz schaffen." Zierer weiß, wovon er spricht: Charge Construct hat bereits Ladeparks für die Marktführer der Branche errichtet.
Die Pläne für den Ausbau der Ladeinfrastruktur begrüßen Verbände wie ADAC und AvD. Es gibt aber auch Kritik. So fürchtet Malte Dringenberg, Sprecher des Automobilclubs von Deutschland (AvD), dass E-Autofahrer auf vielen Rastplätzen gar nicht erst zu den Ladesäulen durchkommen könnten, weil die immer wieder von zahlreichen Lkw zugeparkt werden, die keine regulären Parkplätze mehr finden: "Das existierende Netz an Rastmöglichkeiten entlang der Bundesfernstraßen hält schon seit Jahrzehnten nicht mehr mit dem tatsächlichen Bedarf Schritt und ist deutlich unterdimensioniert." Die Folge: Insbesondere in den Abendstunden und nachts bis zum Anschlag ausgelastete Raststätten und Autobahnparkplätze; Lastwagen, die nicht nur den gesamten verfügbaren Parkraum belegen, sondern auch auf Verzögerungsstreifen und Beschleunigungstreifen parken. Da wird es in vielen Fällen für energiebedürftige E-Autos ein Ding der Unmöglichkeit sein, bis zur Ladestation vorzudringen.
Lade-Stopp mit WC und Gastronomie bevorzugt
Für E-Autofahrerin Petra Gottwald ist die Sache klar: Ladesäulen ohne weitere Angebote will an der Autobahn niemand. Schon gar nicht an den verdreckten Rastplätzen mit oft unzumutbaren Toiletten. "Ich kann mir nicht vorstellen, auf so einem Rastplatz zum Laden zu halten. Ich möchte gerne einen Kaffee oder ein Wasser trinken oder ein Brötchen essen, und hier ist nichts gegeben. Ich könnte nur im Auto sitzen und warten, bis ich geladen habe", so Gottwald. Und das Laden dauert meist 30 Minuten. Werden die Ladesäulen nicht angenommen, drohen Investitionsruinen. So könnte der Bund beim Ausbau der E-Mobilität an der Autobahn in eine Sackgasse steuern.