Caravans und Reisemobile "Der Trend geht zum Gedöns"
Lichterketten und Bier-Zapfanlage im Kofferraum - Freunde des Wohnmobils stürzen sich zunehmend auf Details. Und auch auf der Touristikmesse CMT zeigt sich: Die Reiselust der Deutschen hat sich fast wieder normalisiert.
Autos, soweit das Auge reicht. Wer von heute an die Hallen der Messe Stuttgart betritt, braucht vielleicht ein paar Augenblicke, um sich klarzumachen, dass es hier um Urlaub geht. Denn nicht Palmen stehen unter dem Messedach, kein Meeresrauschen rieselt aus den Lautsprechern. Stattdessen reichlich Pferdestärken. "1200 Caravans, Reisemobile und Freizeitfahrzeuge", damit bewirbt die CMT, die "weltweit größte Urlaubsmesse", einen ihrer diesjährigen Schwerpunkte. Und der hat mindestens vier Räder.
Vom kleinen Anhänger bis zum Luxusmobil
"Die Nachfrage nach Reisemobilen und Caravans ist ungebrochen", so Alexander Ege, der Direktor der CMT. Was die Menschen am Leben und Reisen im Wohnmobil fasziniere? "Die Unabhängigkeit, ganz klar."
Und so findet sich in den Stuttgarter Messehallen etwas für jeden Geschmack: vom kleinen Anhänger bis zum Luxuscaravan. Und spätestens hier zeigt sich, dass Camper nicht gleich Camper ist. "Die einen lieben am Caravaning die Freiheit, dieses 'ich hab mein Bett und meine Küche immer dabei' - und die anderen schreckt genau das ab", so Alexander Ege.
Investition in den Selbstausbau
"Jeder macht sich das so, wie es ihm gefällt", das ist auch die Erfahrung von Peter Draeger, einem der Betreiber der Website vansforfriends.de. In einer Ecke der Messehalle 10 hat er ein "Wohnzimmer" für Freunde des Wohnmobils aufgebaut: eine Art Tresen aus Paletten, ein Sofa, ein paar Kübelpflanzen. Unprätentiöses Understatement. Oder doch nicht?
"Ja, man denkt, das ist ein Understatement, aber wenn man sieht, wie viel Liebe und auch Geld die Leute in den Selbstausbau ihrer Wohnmobile stecken, dann ist das kein Understatement, dann ist das richtig schick gemacht", sagt Draeger. Überhaupt gehe der Trend in diesem Jahr zu "Gedöns, wie wir bei uns sagen. Schnickschnack. Die Lichterkette, die kleinen Dinge: alles, was den eigenen Van individueller macht." Ein paar Reihen weiter hat dieser Individualismus zu einer Zapfanlage im Kofferraum geführt, die auf Knopfdruck frisches Bier zapft - direkt vom Fass.
Reisebranche boomt wieder
In der Nachbarhalle steht hingegen eher Champagner statt Selbstgezapftes auf dem Programm, denn hier präsentieren sich die Luxuskarossen des Wohnmobilsegments - und die können auch schon mal 800.000 Euro kosten. Pro Fahrzeug. Dafür aber mit Echtleder-Wohnlandschaft und integrierter Garage für den Pkw im Heck.
"Reisen hat bei den Menschen Top-Priorität", erklärt CMT-Chef Ege. "Die meisten Menschen sparen im Alltag, etwa an Kleidung oder Freizeitaktivitäten, um sich das Reisen wie in Vor-Coronazeiten zu ermöglichen."
Tatsächlich hat das Reiseverhalten der Deutschen inzwischen wieder fast das Niveau erreicht, das es vor der Pandemie hatte. Fernreisen sind wieder möglich und sehr gefragt, der Mittelmeerraum verzeichnet einen Anstieg an Buchungen.
Deutschland sehr beliebt
Während der Pandemie scheinen viele jedoch auch das Reiseland Deutschland für sich entdeckt zu haben, denn vor allem Kurzurlaube seien in diesem Jahr sehr gefragt. "Die Menschen wollen was erleben", so Messedirektor Ege, "und sie wollen dabei bewusst reisen. Das Interesse an der Natur ist in den vergangenen Jahren sehr gestiegen, man ist mit dem Fahrrad unterwegs, mit dem Schiff, oder man geht wandern, um Dinge zu erleben, die man mit dem Auto nicht erlebt."
Dennoch wollen viele nicht auf das Auto verzichten, das hat eine Umfrage der "Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen" ergeben. Demnach gaben zwölf Prozent der Befragten an, ihren nächsten Urlaub mit dem Wohnmobil verbringen zu wollen und weitere zehn Prozent mit dem Campinganhänger. Tendenz: steigend.
Probleme durch zu viele Camper
"Vans & Friends"-Betreiber Draeger wundert das nicht. "Wir sagen immer: Freiheit, Familie, Freundschaft - das ist das, was das Vanlife, das Leben im Wohnwagen, ausmacht. Dass ich mich frei bewegen kann mit den Menschen, die mir wichtig sind."
Aber auch als individualreisender Camper müsse man behutsam reisen, denn: "Auch Vanlifer hinterlassen Spuren und auch wir müssen aufpassen, dass kein Overtourism entsteht. Wenn man beispielsweise nach Portugal blickt, das war vor einigen Jahren noch ein Paradies. Und jetzt sind da so viele Camper, dass es auch Stress gibt. Und das wird dann schon schwierig."