Dieselaffäre Ex-Manager soll VW Schadensersatz zahlen
Niemand wurde für die VW-Abgasaffäre bislang härter bestraft als Oliver Schmidt. Jetzt fordert der Autokonzern Schadensersatz vom in den USA inhaftierten Ex-Manager.
Im Dunstkreis der Autostadt Detroit, im US-Bundesstaat Michigan, liegt Milan - eine Kleinstadt mit rund 6000 Einwohnern. Das heutige Gemeinschaftshaus von Milan wurde in den 1930er-Jahren von Henry Ford gekauft. Dort versuchte er, aus Sojabohnen Farben für Autos herzustellen - Autogeschichte pur.
Der ehemalige VW-Ingenieur Oliver Schmidt hat ein neues Kapitel in der Automobilhistorie der USA aufgeschlagen: Denn Schmidt sitzt wegen Dieselgate im Bundesgefängnis von Milan eine siebenjährige Haftstrafe ab. Keiner ist für die Abgasaffäre bislang härter bestraft worden als er.
Der mittlerweile 50-Jährige darf im Gefängnis Post empfangen. Auf diesem Weg erreichte ihn bereits die fristlose Kündigung durch VW. Dagegen klagte Schmidt, Volkswagen klagte zurück - es ging hin und her.
Ex-VW-Manager Oliver Schmidt auf einem Polizeifoto nach seiner Festnahme in den USA (Archivbild).
"Durch sein Verhalten entstandenen Schaden ersetzen"
Vor wenigen Tagen bekam Schmidt nun erneut einen Brief. Volkswagen will Schadensersatz, denn Schmidt sei verpflichtet, "dem Unternehmen den durch sein Verhalten entstandenen Schaden zu ersetzen", teilte ein VW-Sprecher mit. Dazu haben die VW-Anwälte beim Arbeitsgericht Braunschweig einen Antrag eingereicht mit dem Ziel, eine arbeitsrechtliche Klage gegen Schmidt auszuweiten.
Der Konzern behauptet, Schmidt habe "an der Täuschung der US-Zulassungsbehörde hinsichtlich der Verwendung der sogenannten Umschaltlogik nebst Fahrprofilerkennung in der Motorsteuerung von für den US-Markt bestimmten Fahrzeugen mitgewirkt".
Für den daraus entstanden Schaden soll Schmidt haftbar gemacht werden. So steht es in dem Schreiben der Kanzlei Freshfields, die von Volkswagen engagiert worden war. Das Schreiben liegt dem NDR vor.
Für VW steht fest, "dass Herr Schmidt verpflichtet ist, dem Unternehmen den durch sein Verhalten entstandenen Schaden zu ersetzen".
VW fordert Schadensersatz von fünf weiteren Ex-Mitarbeitern
Fünf weiteren fristlos gekündigten Volkswagen-Mitarbeitern sei ein ähnliches Schreiben zugegangen, um Schadensersatzansprüche bei Gericht anzumelden, heißt es aus der Konzernzentrale in Wolfsburg: Grundsätzlich sei Volkswagen als Aktiengesellschaft "den Aktionären gegenüber verpflichtet, das Bestehen und die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft zu prüfen".
Konkrete Summen nennt VW nicht. Dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass dem "Unternehmen im Zuge der Aufarbeitung der Dieselthematik fortlaufend weitere Kosten entstehen". Dennoch sind viele bisherige Kosten durchaus bekannt. Geschätzt knapp 30 Milliarden Euro musste Volkswagen bereits für die Bewältigung des beispiellosen Falls aufwenden.
Darüber hinaus rechnet VW mit weiteren Kosten - etwa für Anwälte und das sogenannte "Monitorship", eine externe, dreijährige Kontrolle von Volkswagen durch den US-Juristen Larry Thompson. Thompsons Dienstherr ist das US-Justizministerium. Er und sein 60-köpfiges Team wurden von US-Behörden wegen des Abgasskandals als Aufseher bei VW eingesetzt.
Volkswagen erklärte dazu auf NDR-Anfrage: "Die Kosten für die juristischen Beratungsleistungen sowie die juristische Aufarbeitung (inklusive der Kosten für das Monitorship) in diesem Kontext belaufen sich auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag." Auch hierfür sollen Schmidt und seine weiteren fünf ehemaligen Kollegen offenbar geradestehen, während Thompson VW weiter auf die Finger schaut.
Schmidt bestreitet Eigeninitiative für USA-Reise
Ob VW tatsächlich Schadensersatzansprüche geltend machen kann, dürfte eng an die Frage gekoppelt sein, welche Schuld die gekündigten Mitarbeiter trifft.
Im Fall Schmidt behaupten die VW-Anwälte jedenfalls, dass der Ingenieur im August 2015 auf Eigeninitiative in die USA gereist sei, um dort eine Zulassung für Diesel-Pkw des Modelljahres 2016 zu erreichen. Schmidt habe US-Behörden irreführende Erklärungen für die Emissionsabweichungen abgegeben.
Schmidt schildert die Geschichte anders: Er sei im Sommer 2015 nicht aus Eigeninitiative in die USA gereist. Die Idee sei aus dem damaligen VW-Vorstand um den Vorsitzenden Martin Winterkorn gekommen. Schmidt solle demnach in die USA reisen, um noch eine Zulassung der entsprechenden Fahrzeuge zu erreichen.
Vor dem Treffen mit der US-Umweltbehörde CARB sei er von VW-Anwälten beraten worden. Einer der Anwälte der Gekündigten erklärte gegenüber dem NDR: "Man könnte sich die Frage stellen, warum VW jetzt gegenüber einfachen Mitarbeitern so massive Schadensersatzforderungen geltend macht und gleichzeitig die Führungsriege unbehelligt lässt."