E-Mobilität Der Wallboxkampf
In Kürze beginnt die Förderung privater Ladestationen für E-Autos. Dafür gibt es viel Lob - auch, weil die sogenannte Wallbox ohne große Hürden subventioniert wird. Doch bis Strom fließt, kann es dauern.
Es könnte so einfach sein: Um die ökologische Mobilitätswende selbst voranzutreiben und auf ein Auto mit Elektrostecker umzusteigen, kommt eine private E-Auto-Ladestation, die sogenannte Wallbox, neben den Stellplatz des Gefährts. Mit 900 Euro für Kauf und Installation unterstützt der Staat private Eigentümer, Mieter, Vermieter und Wohnungseigentümergemeinschaften.
Es klingt ganz einfach: Vom 24. November an kann man den Antrag bei der Förderbank KfW stellen, nach der Bewilligung Elektriker kommen lassen und gegen Installationsnachweis das Geld überwiesen bekommen. Je nach Gegebenheiten sind die Ausgaben dann schon fast wieder drin - so zumindest stellt es der Bundesverkehrsminister dar.
Viel Zustimmung für Förderprogramm
Thomas Klisa ist Geschäftsführer und Jurist des Fachverbands Elektro- und Informationstechnik Hessen/Rheinland-Pfalz. Auf seinem Tisch liegt die Fördermaßnahme, seit sie vom Bund Anfang Oktober beschlossen wurde. Schließlich muss er die ausführenden Handwerksbetriebe in die Fördervoraussetzungen einweisen, damit die Installation als förderungskonform anerkannt wird und das Geld vom Staat fließt. "Die Förderung ist an sich eine gute Sache", sagt Klisa und ist mit dieser Meinung nicht allein: Selten findet eine staatliche Förderung so viel Zustimmung und so wenig Kritik über alle gesellschaftlichen Interessenvertretungen hinweg - Handwerk, Verbraucherverbände, Industrie, Umweltschützer, Fachleute, Opposition.
Doch der Zuschuss kommt in einer schwierigen Zeit: "Kunden sprechen in unseren Fachbetrieben vor, das Interesse ist da, und alles, was den Markt ankurbelt in dieser Zeit, ist gut." Aber einige Details der Förderung seien noch nicht geklärt. "So können unsere Fachbetriebe die Kundschaft auch noch nicht so umfassend beraten, wie es ihren Ansprüchen genügen würde", erklärt Klisa. Elf Kilowatt Leistung muss der Ladepunkt aufweisen, und er muss intelligent, also vom Netzbetreiber steuerbar sein. Das steht fest. Aber noch nicht, welche dieser Wallbox-Modelle genau förderfähig sind. "Ein konkretes Angebot lässt sich so also noch nicht erstellen."
Wartezeiten für Kunden
Selbst wenn, stellt Klisa in Aussicht, muss sich die Kundschaft oftmals gedulden: "Derzeit können viele Betriebe die Aufträge nicht zeitnah bedienen. Uns gehen schlicht die Mitarbeiter aus. Akut verzögert sich vieles wegen Corona, aber auch grundsätzlich wegen des Fachkräftemangels." Tatsächlich zeigen Anrufe stichprobenartig bei verschiedenen Betrieben: volle Auftragsbücher, die Wallbox hängt allerfrühestens im März, oft erst im Sommer nächsten Jahres.
Zeit braucht vielleicht auch die Installation. An sich ist die Wallbox schnell aufgehängt. Doch ihr Leistungsbedarf kann Herausforderungen zur Folge haben: Zwar haben viele Haushalte bereits ähnlich große Stromverbraucher wie einen Durchlauferhitzer. Der zieht aber nur kurzzeitig Strom, eine Wallbox hingegen die ganze Nacht. "60 bis 80 Prozent der elektrischen Anlagen in Privathäusern sind nicht auf so etwas ausgelegt", erklärt Stefan Petri, Referent Technik des Fachverbands Elektro- und Informationstechnik Hessen/Rheinland-Pfalz.
Zur Orientierung nimmt Petri das Alter der Immobilie: Besitzt sie beispielsweise eine mehr als 30 Jahre alte elektrische Anlage, sei davon auszugehen, dass Modernisierungsmaßnahmen für stromtragfähige Leitungen oder der Austausch eines Wechsel- durch einen Drehstromzähler nötig werden. Hinzu kommt meistens auch eine Netzwerkverbindung, damit die "intelligente" Wallbox ihr Wissen auch dem Netzbetreiber weitergeben kann. Die 900 Euro Förderung sind damit schnell aufgefressen.
Keine volle Verbraucherfreiheit
"Der Teufel steckt im Detail", sagt Hans Weinreuter. Als Fachbereichsleiter Energie/Bauen berät er Verbraucher zur Wallbox, findet die Förderung im Grundsatz richtig und kann sich auch vorstellen, dass sie ökologischeren Verkehr vorwärts bringt.
Er sieht aber auch drei Einschränkungen in der Verbraucherfreiheit: "Die Ladeleistung bestimmt die Ladedauer. Wer gern eine 22-Kilowatt-Wallbox hätte, damit sein Auto einfach schneller geladen ist, erhält keine Förderung." Zweitens sieht der Zuschuss vor, dass nur Ökostrom durch die Wallbox fließt. Entscheidend ist das frühestmögliche Kündigungsdatum des bestehenden Stromliefervertrags. Wurde bisher kein Ökostrom bezogen und läuft der bisherige Vertrag noch zur Wallbox-Inbetriebnahme, reicht es immerhin, den nachfolgenden Öko-Stromliefervertrag einzureichen.
Weinreuter fehlt hier ein Detail: "Ökostrom ist nicht gleich Ökostrom. Viele Anbieter verkaufen ihn auch aus abgeschriebenen Wasserwerken, verkaufen so ihren bisherigen Strommix teurer, er ist aber nicht öko-zertifiziert." Und drittens werden die Installationsbetriebe erfahrungsgemäß die Förderung einpreisen, ist sich Weinreuter sicher.
Förderung für 220.000 Wallboxen
200 Millionen Euro Fördergeld, also rund 220.000 Wallboxen fördert der Bund. Was passiert, sollte das Angebot der Renner werden und sich gleich fünf Häuser in einer Straße private Ladestationen anschaffen? "Es kommt auf die Gegebenheiten vor Ort an. Drei bis vier Ladestationen schafft jedes Ortsnetz", ist sich Sebastian Exner vom Interessenverband der Netzbetreiber in Rheinland-Pfalz und Hessen, LDEW, sicher. "Aber es kann schon sein, dass es knapp wird in abgelegenen Ortsteilen mit beispielsweise nur einer Verteilerstation." Doch Wallboxen müssen beim Netzbetreiber angemeldet werden - er weiß also, was auf ihn zukommt. Dann würden Umspannstationen neu gebaut oder verstärkt.
Schub für Netzmodernisierung
Die Wallbox-Förderung könnte also auch Netzmodernisierung antreiben. "Sie ist ein Signal für die Transformation des Verkehrs", konstatiert Oliver Krischer, stellvertretender Vorsitzender der Grünen im Bundestag und Mitglied im Verkehrsausschuss, nicht ohne auch Kritik zu üben: "Die Förderung ist gut, kommt aber spät. Im Jahr 2015 wäre sie noch innovativ gewesen. Im Jahr 2020 ist sie ein Nachläufer zu anderen Förderprogrammen in anderen Ländern der EU oder Bundesländern wie NRW."
Selbst seit mehreren Jahren Fahrer von Elektroautos und Wallbox-Eigentümer, sieht Krischer seinesgleichen übervorteilt: "Wer ein Haus sein Eigentum nennen kann, dem wird die Anschaffung einer Wallbox keine finanziellen Sorgen bereiten. Wenn schon gefördert wird, hätte mehr Geld in Tiefgaragen und Pendlerparkplätze fließen können. Dann profitierten auch die Menschen in den Innenstädten ohne eigenes Haus mit Stellplatz von der Förderung."
Dennoch allseits Lob für die Wallbox-Förderung - auch, weil sie im Gegensatz zu anderen staatlichen Förderprogrammen ohne dichten Förderdschungel aus Nachweisen, Normen und Auflagen auskommt. Doch stattdessen werden sich Antragsteller vom Fachbetrieb durch den Kabelsalat führen lassen müssen, den es für die Wallbox braucht. Das verkürzt vielleicht auch die Wartezeit auf das zur Wallbox passende E-Auto: Lieferzeiten von einem Jahr oder länger sind keine Seltenheit, ein Hersteller musste im Sommer sogar überraschend einen Lieferstopp ausrufen.