Störungen im Welthandel "Auswirkungen für Konsumenten eher gering"
Weiterhin fahren Frachtschiffe große Umwege, um das Rote Meer zu meiden - was für Konzerne wie Tesla oder Ikea Konsequenzen hat. Die Folgen für Verbraucher seien insgesamt aber überschaubar, so der Handelsexperte Jörg Funder im Interview.
tagesschau24: Können die Angriffe der westlichen Allianz auf die Huthi-Rebellen etwas bewirken?
Jörg Funder: Mittelfristig kann der Angriff etwas ändern. Denn aktuell müssen die großen Reedereien Hapag-Lloyd und Maersk das Rote Meer umfahren. Wenn der Kanal beziehungsweise die Zuführungsrate durch das Rote Meer zum Suezkanal wieder sicherer ist, kann das auch die großen Reedereien dazu bewegen, wieder den Seeweg durch das Rote Meer zu nehmen. Dadurch könnte der Handel zwischen Asien und Europa wieder schneller und günstiger werden.
Prof. Jörg Funder ist Professor für Unternehmensführung im Handel an der Hochschule Worms. Dort leitet er das Institut für Internationales Handels- und Distributionsmanagement und betreut Themen im Umfeld Strategie sowie (digitaler) Transformation - vor allem in den Branchen Handel, Konsumgüter und konsumentennahe Dienstleistungen.
tagesschau24: Nach Angaben des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) ist der Containerverkehr im Roten Meer um 70 Prozent eingebrochen. Welche Konsequenzen hat das?
Funder: Tatsächlich ist das Seefrachtvolumen in dieser Region eingebrochen. Es gibt aber alternative Routen wie den Landweg über Westchina und auch die Möglichkeit, den Luftverkehr zu nutzen. Daher werden die Auswirkungen auf die Unternehmen und Konsumenten generell eher gering bleiben. Bislang haben nur wenige Einzelunternehmen wie Tesla, Ikea und Aldi mitgeteilt, erste Auswirkungen aufgrund der Angriffe im Roten Meer zu spüren.
tagesschau24: Bei Ikea müssen die Kunden derzeit länger auf ihre Möbel warten. Tesla kündigte wegen fehlender Teile einen Produktionsstopp ab Ende Januar im Werk in Grünheide an. Dabei ist das Rote Meer nicht die einzige Region, die derzeit blockiert ist. Auch auf deutschen Straßen wird gestreikt. Wie reagieren die Unternehmen darauf?
Funder: Handelsunternehmen und Konsumgüterunternehmen haben schon während der Corona-Pandemie gelernt, wie wichtig es ist, Lieferketten resilienter und unabhängiger von Störungen zu machen: mehr aus europäischen Liefergebieten und nicht mehr ausschließlich aus Asien zu besorgen. Ich rechne damit, dass Disruptionen und Störungen in den Lieferketten auch in Zukunft dazugehören werden. Deshalb ist es so wichtig, die Lager hier in Europa verstärkt aufzufüllen und alternative Beschaffungswege zu suchen.
tagesschau24: Sind die Lieferketten denn aktuell überhaupt robust genug, um weitere Krisen auszuhalten? Welche Rolle spielt da auch das Kap der guten Hoffnung?
Funder: Das Problem an der Route über das Kap der Guten Hoffnung ist, dass die Route länger ist. Für diesen Seeweg braucht ein Schiff sieben bis 20 Tage länger. Dadurch entstehen höhere Kosten für den Transport. Auch deshalb will die westliche Allianz das Rote Meer wieder sicherer und befahrbar machen.
Das Eingreifen der westlichen Allianz hat aber auch damit zu tun, dass ab dem 10. Februar das chinesische Neujahrsfest stattfindet. Da haben asiatische Unternehmen bis zu vier Wochen geschlossen. Deshalb wollen die Unternehmen aus den USA und Europa jetzt vor diesem Fest ihre Lager auffüllen. Der Angriff auf die Huthi könnte also auch dazu dienen, den schnellen Transport der Waren vor dem Stillstand in Teilen Asiens zu sichern.
tagesschau24: Sind wir denn nach wie vor auf diese globalen Lieferketten in dem Umfang angewiesen, wie wir ihn jetzt kennen?
Funder: Die globalen Lieferketten, die über Jahrzehnte aufgebaut haben, wurden, können nicht über Nacht geändert werden. Trotzdem hat der Umbau bereits begonnen. Viele Unternehmen suchen nach alternativen Produzenten aus Osteuropa und aus Südeuropa und bauen neue Lieferketten auf. Es entstehen neue Liefernetzwerke und Verbindungen mit Zweitlieferanten. Vieles, was man zuvor nach beispielsweise Asien verlagert hat, soll stückweise zurückgeholt werden. Das wird aber noch die nächsten fünf bis zehn Jahre in Angriff nehmen.
Der Trend ist aber eindeutig: Man macht sich zunehmend unabhängig von Asien. Dabei geht es aber auch die Frage, ob man diese Kompetenzen und Kapazitäten, was Konsum, Konsumentenelektronik, Speicherchips, aber auch ganz einfache Dinge wie Schuhproduktion angeht, so schnell wieder in Europa oder in der Nähe von Europa aufbauen kann.
Das Gespräch führten Samir Ibrahim und Anne-Catherine Beck, ARD-Finanzredaktion. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redaktionell bearbeitet.