Inflationsbekämpfung Wie Spanien den Preisanstieg gebremst hat
Für viele sind steigende Lebenshaltungskosten die größte Sorge. Das Weltwirtschaftsforum sieht die Inflation in diesem Jahr als globales Risiko. Was man gegen den Preisanstieg tun kann, zeigt das Beispiel Spanien.
Monatelang war Lebensmittel einkaufen in Spanien kein Spaß. Die meisten Preise kannten nur eine Richtung: nach oben. Brot war Ende 2022 rund 15 Prozent teurer als im Jahr zuvor, Olivenöl 25 Prozent, Milch sogar 30 Prozent.
Entlastungen seit Jahresbeginn
Neues Jahr, neues Glück: Seit dem 1. Januar gilt das neue Entlastungspaket der linken spanischen Regierung. Ein halbes Jahr lang fällt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von vier Prozent auf Grundnahrungsmittel ganz weg. Der für Öl und Teigwaren beträgt in der Zeit fünf statt zehn Prozent. Diese Entlastungen sollen helfen, die Inflation weiter zu bremsen.
Aber Spanien steht schon jetzt besser da als alle anderen Länder der Eurozone. Im Dezember betrug die Inflationsrate 5,6 Prozent; in Deutschland stiegen die Preise um 9,6 Prozent. Was hat Spanien besser gemacht als Deutschland?
Die "iberische Ausnahme" beim Preisdeckel
Ökonom José Carlos Díez glaubt, dass vor allem der bereits im Mai eingeführte Gas-Strom-Preisdeckel dazu beigetragen hat: "Wir waren die ersten, denn in unserem Preissystem war der Stromtarif an den Großhandelsmarkt gekoppelt, was dazu führte, dass die spanischen Verbraucher schon sehr früh hohe Preise zahlen mussten."
Auch wenn die EU das anders sehe: "Spanien kann sich den Preisdeckel erlauben, weil das Land eine gute Gasplanung gemacht hat. Wir haben eine Gaspipeline mit Algerien, wie Deutschland mit Russland, aber zusätzlich - nicht alternativlos."
Die EU hatte Spanien und Portugal zunächst zögerlich die "iberische Ausnahme" genehmigt, weil sie Wettbewerbsverzerrungen befürchtete. Auf dem Konto der spanischen Stromkunden macht sich diese Ausnahme nun bezahlt: Im vergangenen November lag der Strompreis 22 Prozent unter dem des Vorjahresmonats.
Es wird nicht alles günstiger
Und jetzt noch die Vergünstigungen im Supermarkt: Ein Liter Olivenöl kostet im Schnitt nicht mehr 7,55 Euro, sondern nur noch 7,21 Euro. Ein Kilo Reis statt 2,59 Euro jetzt zehn Cent weniger. Und 500 Gramm Weintrauben gibt es für 3,07 Euro - vor Silvester waren es 3,19 Euro.
Was allerdings noch nicht klar ist: Landet die Mehrwertsteuersenkung überhaupt bei den Kunden? Die Verbraucherschutzorganisation FACUA hat in der ersten Januarwoche sieben Einzelhandelsketten bei der Nationalen Wettbewerbskommission angeprangert. Sie hätten die Senkung nicht weitergegeben. Auch wenn FACUA den Effekt dieser Steuersenkung insgesamt für überschaubar hält: Die Organisation kündigt an, die Preise regelmäßig zu überprüfen.
Die oppositionelle konservative Volkspartei PP reklamiert im Wahljahr die Idee zur Mehrwertsteuersenkung für sich. Sie kritisiert aber, dass die Steuer gerade für Fleisch und Fisch gleich geblieben ist - diese Produkte spielen in Spaniens Küchen aber eine große Rolle.
45-Milliarden-Entlastungspaket
Aber selbst wenn nicht alles günstiger wird: Die linke Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez von der sozialistischen PSOE hat den Spanierinnen und Spaniern noch weitere Finanzspritzen zugedacht. Geringverdiener erhalten 2023 einen einmaligen Jahresbonus, und die Renten steigen. Und bereits im Vorjahr profitierten die Bürgerinnen und Bürger von einer Mietpreisbremse, günstigen Pendler-Tickets und einer Spritpreis-Subvention.
Insgesamt hat Spanien für diverse Entlastungspakete 45 Milliarden Euro ausgegeben, teils finanziert mit zusätzlichen Steuern für Unternehmen. Und auch hier hat Spanien - siehe Gaspreisdeckel - etwas eingeführt, was in Deutschland mal heiß diskutiert wurde: eine Übergewinnsteuer. Sie gilt zwei Jahre lang für Banken und Energiekonzerne.
Schuldenfinanzierte Wohltaten der Wahlkämpfer?
Sind die spanischen Antikrisen-Maßnahmen schuldenfinanzierte Wohltaten mit Blick aufs Wahljahr 2023 oder ökonomisch sinnvolle Schritte? Vermutlich ein Mix aus beidem. Und sie sind mindestens teilweise erfolgreich. Spaniens Wirtschaft kam insgesamt recht gut durch die jüngsten Krisen.
Aber trotz des spanischen Erfolgs bei der Inflation könne Deutschland nur wenig von Spanien lernen, findet Ökonom Díez. Auch Deutschland habe ja große Entlastungspakete geschnürt. Anders sei es beim Gasmarkt: "Ich denke, Deutschland sollte das spanische Mischgasmodell kopieren. Man braucht keine Pipelines, aber man braucht Häfen mit LNG-Terminals, was lange nicht realisiert wurde. Das war ein schwerer Fehler."
Bei anderen Themen könne Spanien eher von Deutschland lernen: bei der Staatsverschuldung etwa und der hohen Arbeitslosigkeit. Da ist Spanien mit 12,4 Prozent Schlusslicht in der Eurozone - und Deutschland mit drei Prozent Spitzenreiter.