Ende der "Wiener Zeitung" Zehn Kaiser, zwei Republiken und 320 Jahre
Die älteste Tageszeitung der Welt ist heute das letzte Mal als gedruckte Ausgabe erschienen. Die "Wiener Zeitung", deren erste Ausgabe am 8. August 1703 erschien, wird es künftig nur noch online geben.
Die "Wiener Zeitung" hat als älteste Tageszeitung der Welt ihre Druckausgabe eingestellt. "116.840 Tage, 3839 Monate, 320 Jahre, 12 Präsidenten, 10 Kaiser, 2 Republiken, 1 Zeitung", hieß es heute auf der letzten Titelseite der staatlichen, aber redaktionell unabhängigen Publikation. Die "Wiener Zeitung" erscheint künftig online. Außerdem ist eine monatliche Print-Ausgabe geplant.
Mit der Umstellung sind insgesamt 63 Vertragsauflösungen verbunden. Die Redaktion werde dabei um 35 Stellen auf 20 Personen verkleinert, hieß es aus dem Unternehmen. Die "Wiener Zeitung" bezeichnete sich als älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt.
In einem Artikel der letzten Ausgabe übergab die Redaktion diesen Titel an die seit 1705 bestehende "Hildesheimer Allgemeine Zeitung" in Niedersachsen.
Erstausgabe im August 1703
Die "Wiener Zeitung" wurde einst als "Wiennerisches Diarium" gegründet. Neuigkeiten "ohne einigen Oratorischen und Poetischen Schminck" zu verbreiten - also nüchterne Nachrichten zu vermitteln - lautete das Programm in der Erstausgabe vom 8. August 1703.
Zuletzt verkaufte die als Qualitätsmedium bekannte Zeitung jedoch nur noch etwa 8000 gedruckte Exemplare pro Tag. Die Druckausgabe wurde eingestellt, da nach einer Gesetzesänderung die wichtigste Finanzierungsquelle wegfiel: In der Vergangenheit mussten Firmenbucheinträge kostenpflichtig in der "Wiener Zeitung" erscheinen. Nun wurde auf Online-Verlautbarungen umgestellt. Diese Entscheidung der konservativen Kanzlerpartei ÖVP und der mitregierenden Grünen war von der Opposition und der Redaktion der "Wiener Zeitung" kritisiert worden.
SPÖ-Chef Andreas Babler bezeichnete das Aus der "Wiener Zeitung" als Druckausgabe als "bitteren Tag für Österreich als Medienstandort und Kulturland". Er hatte angekündigt, Mittel und Wege zu suchen, die gedruckte Tageszeitung wieder zurückzuholen, sobald man wieder in Regierungsverantwortung sei.
Wut, Wehmut und Trauer
Gegenüber der österreichischen Presseagentur APA sagte Chefredakteur Thomas Seifert von der "Wiener Zeitung", dass er eine Mischung aus Wut, Wehmut und Trauer über das Ende von 320 Jahren Zeitungsgeschichte empfinde. Die Regierung habe es versäumt, einen Käufer zu finden.
"Stürmische Zeiten für den Journalismus bedeuten auch schwere Zeiten für die Demokratie", hieß es heute in einem Leitartikel, in dem mehr statt weniger Qualitätsjournalismus gefordert wurde.
Teil der letzten Ausgabe sind auch Interviews mit den österreichischen Altkanzlern Franz Vranitzky und Wolfgang Schüssel. Auch Arnold Schwarzenegger findet sich in der letzten Ausgabe wieder. In einem Interview mit der Zeitung "Der Standard" sagte Seifert, dass Nostalgie und Wehmut die Leitmelodie der letzten Ausgabe werden. Die letzte Auflage der Zeitung wurde auf 50.000 Stück erweitert.