Warum Zypern aus Moskau Milliardenkredite bekommt Russendispo - nicht ganz selbstlos
Die Troika von EU, IWF und EZB wird Ende der Woche prüfen, welche Hilfen Zypern benötigt - und welche Auflagen es dafür erfüllen muss. Dabei hat Zypern einen Trumpf in der Hinterhand. Denn auch Russland gibt Kredit - ohne strenge Auflagen. Warum eigentlich? Welche Interessen hat Russland?
Von Thomas Bormann, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Mit einem ersten Milliardenkredit hat Russland dem klammen Zypern schon ausgeholfen: Ende vergangenen Jahres überwies Moskau 2,5 Milliarden Euro an die Mittelmeerinsel. Zypern zahlt dafür den relativ günstigen Zinssatz von 4,5 Prozent. Weitere Bedingungen: keine. Das ist eben der Unterschied zu Hilfskrediten aus dem EU-Rettungsschirm. Die sind an strenge Spar-Auflagen gebunden.
Zypern will sich von der EU möglichst nicht reinreden lassen
Zypern will sich aber möglichst nicht von den anderen EU-Ländern in seine Wirtschaftspolitik hineinreden lassen und verhandelt deshalb jetzt mit Russland über einen weiteren Kredit. Diesmal sollen aus Moskau sogar fünf Milliarden Euro nach Nikosia fließen. Ob Russland dafür wirklich keine Bedingungen stellt? Oder werden die nur nicht an die große Glocke gehängt? Ein Reporter fragte jedenfalls den zyprischen Präsidenten Dimitris Christofias, ob seine Insel denn jetzt zu verkaufen sei? Christofias reagierte dünnhäutig: "Die Insel Zypern ist nicht zu verkaufen. Fordern Sie mich bitte nicht heraus mit derartigen provokativen Fragen", schimpfte der Staatspräsident.
Kredite aus Moskau helfen auch russischen Oligarchen
Allerdings: So ganz selbstlos ist die Hilfe für Zypern aus Russland nicht. Viele vermögende Russen legen ihr Geld bei zyprischen Banken an, weil sie es dort nicht versteuern müssen; und viele russische Firmen investieren in Zypern und nutzen den sehr niedrigen Steuersatz dort. Rund ein Drittel aller Auslandsinvestitionen auf Zypern stammt bereits aus Russland.
Mit den Krediten will Russland also nicht selbstlos dem Inselstaat Zypern helfen, sondern quasi auch den Investitionsstandort russischer Oligarchen im Mittelmeer retten. Schließlich wurde vor der zyprischen Küste vor kurzem Erdgas gefunden. Bei der Förderung möchte der russische Gazprom-Konzern mit einsteigen. Die russisch-zyprischen Beziehungen gehen eh weit über wirtschaftliche Interessen hinaus. Zyperns Präsident Christofias hat zu Breschnews Zeiten in Russland studiert, er spricht perfekt Russisch.
Die kommunistische Partei spielt nach wie vor eine große Rolle
Mittlerweile leben schon mehrere Zehntausend Russen auf Zypern, vor allem in der Küstenstadt Limassol, wo es an jeder Ecke russische Zeitungen gibt. "Es lebe die russisch-zyprische Freundschaft", sagt Präsident Christofias, der der einzige kommunistische Staatschef eines EU-Landes ist. Seine kommunistische Partei spielt nach wie vor eine große Rolle auf Zypern. Gleichzeitig macht er aber gern Geschäfte mit den Kapitalisten aus Russland und pflegt die Beziehungen zu Moskau.
Russland als Trojanisches Pferd?
Als Anfang dieses Jahres ein russisches Frachtschiff mit Waffen für Syrien im zyprischen Hafen Limassol lag, verhinderten zyprische Kontrolleure nicht, dass das Schiff tatsächlich nach Syrien ablegte - trotz des EU-Waffen-Embargos. So viel Entgegenkommen des kleinen Inselstaates Zypern gegenüber dem Riesenreich Russland macht manche EU-Politiker skeptisch. Baut sich Russland die Insel Zypern zu einem Trojanischen Pferd aus, um seinen Einfluss auch auf die EU zu erweitern?
"Nein, wir sind kein Trojanisches Pferd der Russen", sagt Andreas Mavroiannis und schüttelt energisch den Kopf. Er ist in der Regierung Zyperns zuständig für die Beziehungen zur EU. Er betont, eigentlich sei die zyprische Wirtschaft gesund, das Land bräuchte weder russische Kredite noch den EU-Rettungsschirm. Das Problem, das hier Unsicherheit und Instabilität schaffe, sei "dass zyprische Banken so stark in griechische Staatsanleihen investiert haben - und sich überhaupt so stark im griechischen Markt engagiert haben", so Mavroiannis.
Troika Ende der Woche in Nikosia
Zyprische Banken haben Milliarden verloren, weil etliche Kredite an Griechenland geplatzt sind. Nun sind die zyprischen Banken selbst von der Pleite bedroht und reißen den ganzen Staat mit in die Krise. Ende dieser Woche reisen Kontrolleure der Troika nach Nikosia und prüfen, wie viel Geld Zypern aus dem EU-Rettungsschirm braucht und welche Auflagen Zypern dafür erfüllen muss. Dabei kann Zypern seine beiden möglichen Kreditgeber gegeneinander ausspielen: So kommt die EU den Zyprern bei den Auflagen möglicherweise entgegen, damit Zypern nicht noch mehr Kredite in Russland aufnimmt und damit den russischen Einfluss auf der Insel stärkt.