Auf Forschungsfahrt Wie verschmutzt ist die Elbe?
Mikroplastik, Treibhausgase, Umweltchemikalien: Wie belastet ist die Elbe mit diesen Stoffen? Das untersuchen Forschende derzeit - von der Quelle bis zur Mündung. Erste Ergebnisse überraschen.
Ein Kran läuft, Wasser rauscht aus einem Schlauch, eine weit geöffnete Baggerschaufel wird vom Forschungsschiff "Ludwig Prandtl" hinabgelassen. "Das ist der Backengreifer, der Sediment grabscht, aus 15 Metern Tiefe", erklärt Tina Sanders vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht.
Momentan befindet sich das Schiff an der Einfahrt zum Köhlfleethafen bei Hamburg-Finkenwerder - auf seiner Fahrt nach Cuxhaven wird es noch einige Male anhalten, um Sediment- und Wasserproben aus der Elbe zu entnehmen, mit Membranpumpen, Metalleimern oder eben dem Backengreifer.
"Ganz speziell bei dieser Ausfahrt untersuchen wir Schadstoffe - sowohl Metalle als auch Mikroplastik als auch organische Schadstoffe, die vom Land über den Fluss in die Nordsee transportiert werden - von Schmilka, wo die Elbe nach Deutschland kommt, bis nach Helgoland", so Sanders.
Seit Ende Juni ist die "Ludwig Prandtl" auf der Elbe unterwegs.
Von der Quelle bis zur Mündung
Von der Quelle in Tschechien - dort waren tschechische Forschende im Einsatz - bis zur Mündung nehmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Proben an Orten, an denen sie vermuten, dass viele Stoffe in die Elbe gelangen: über Kläranlagen, intensive Landwirtschaft, den Hamburger Hafen oder Raffinerien. Das alles im Rahmen der sogenannten Moses-Kampagne.
Moses, das steht für "Modular Observation Solutions for Earth Systems", also mobile und modular einsatzfähige Beobachtungssysteme, mit denen die langfristige Entwicklung von Erd- und Umweltsystemen untersucht werden soll. Entwickelt wurden die Systeme von neun Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, etwa dem GEOMAR in Kiel oder dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung.
Laboranalyse in Echtzeit der Flussfahrt
Konkret heißt das zum Beispiel, dass in einem Laborcontainer an Bord der "Ludwig Prandtl" eine sogenannte Ferrybox läuft und in Echtzeit die Nährstoffe aus dem durchlaufenden Flusswasser analysiert: "Das ist ein Gerät, das kontinuierlich Wasser pumpt und mit Sensoren ausgestattet ist", so Sanders - so würden Salinität, Sauerstoffgehalt, pH-Wert, die Trübung und der Chlorophyll-Bereich gemessen. "Das wird dann kontinuierlich minütlich gemessen und mitgeloggt, sodass wir genau sehen können, was in der Elbe passiert ist - bis in die Nordsee rein", so Wissenschaftlerin Sanders.
Diese Ferryboxen hat das Helmholtz-Zentrum entwickelt, um sie auch Fähren und Schiffen auf anderen Gewässern mitgeben zu können - je mehr, desto besser, denn so kann mit wenig Aufwand kontinuierlich die Wasserqualität gemessen werden.
Tina Sanders bei der Arbeit: Sie forscht für das Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht.
Ein Archiv der Umweltchemikalien
Andere Analysen sind aufwendiger, erläutert Annika Jahnke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig: "Wir haben eine ganze Reihe von Umweltchemikalien, die wir betrachten. Viele hundert Chemikalien betrachten wir in einem großen Screening und gucken uns Muster an."
Ziel ist es, Fragen zu beantworten - nach den Quellen bestimmter Stoffe, aber auch danach, wie sich diese Stoffe verteilen und mit dem Wasser vermischen. Auch dem Sediment kommt eine wichtige Rolle zu, sagt Jahnke, denn was am Boden des Flusses liegt, sei "so ein bisschen ein Archiv dieser Umweltchemikalien" - und auch das wird systematisch untersucht. Bei der Elbkampagne ist in diesem Jahr neu, dass der gesamte Elblauf untersucht wird. Und auch, dass die Elbe auf Nano- und Mikroplastik untersucht wird.
Tausende Zusatzstoffe im Plastik
Diesen Teil der Forschungsarbeit verantwortet Wissenschaftlerin Jahnke. Sie analysiert die vielen Proben nicht nur darauf, wie viel Plastik sie enthalten, sondern auch darauf, welche chemischen Zusätze in dem Kunststoff verarbeitet sind - es gibt Tausende: "Im Moment haben wir so 70 bis 90 Stoffe, die wir messen können - und sind jetzt das erste Mal tatsächlich in der Umwelt unterwegs, um zu gucken: Finden wir sie denn in den Konzentrationen, die wir auch bestimmen können?" Etwa sogenannte Phthalate - also Weichmacher, die weiträumig in Kunststoff eingesetzt werden. "Diese sind aber auch in allen möglichen anderen Stoffen. Das ist zum Beispiel so eine Gruppe, die extrem schwierig zu messen ist", so Jahnke.
Dürre statt Fluten
Die gemeinsame Moses-Kampagne der Helmholtz-Zentren hatte 2020 ihre Generalprobe. Seitdem hat sich die Prämisse der Forschungsgegebenheiten etwas verändert, konstatiert Forscherin Sanders: "Am Anfang sind wir davon ausgegangen, dass wir Fluten untersuchen. Aber in den letzten Jahren haben wir vor allem Dürren, die die Elbe beeinflussen."
Dürren bringen weniger Wasser in die Elbe, die Schadstoffkonzentration nimmt zu, der Sauerstoffgehalt dagegen ab. "Auch wenn wir dieses Jahr nicht diesen extremen Sauerstoffmangel bekommen haben, müssen wir leider in den nächsten Jahren - immer in den Sommermonaten, wenn wenig Regen fällt - Sauerstoffmangel und Fischsterben erwarten. Leider."