Deutscher Wissenschaftler Phänomen der Feenkreise in Namibia entschlüsselt?
Hexentanzplatz, Termitenwohnung, UFO-Landeplätze? Um die sogenannten Feenkreise in der Wüste Namibias ranken sich Legenden. Ein deutscher Wissenschaftler will die Erklärung für die kreisrunden Flächen gefunden haben.
Vor allem von oben bietet sich ein faszinierendes Bild. Rote Kreise in der Wüste Namibias, wie von Geisterhand mit dem Zirkel gezogen. Hunderte, tausende, vielleicht sind es sogar Millionen. Die Größe variiert. Mal sind es drei Meter im Durchmesser, mal über 20. Das Kreisinnere ist kahl, drumherum wächst Wüstengras.
Das sieht so ein bisschen aus wie ein Schweizer Käse mit Löchern. Die Kreise sind auch sehr regelmäßig angeordnet. Das heißt: Die Abstände zwischen den Kreisen sind immer sehr ähnlich, zirka zehn bis 15 Meter. Und somit hat man eine Graslandschaft, die viele runde Löcher aufweist.
Stephan Getzin von der Universität Göttingen ist Experte für Feenkreise und erforscht das mysteriöse Naturphänomen schon seit vielen Jahren. In einer jetzt vorgelegten Studie kommen er und sein Team zu dem Schluss, dass die geheimnisvollen Löcher auf Wassermangel zurückzuführen sind. "Die Lücken im Grasland sind Ausdruck dessen, dass nicht genügend Wasser vorhanden ist, um eine kontinuierliche Grasdecke zu ermöglichen."
Die Lücken im Grasland sind Ausdruck dessen, dass nicht genügend Wasser vorhanden ist.
Warum die Flecken kreisrund sind
So weit, so klar. Aber warum sind die Löcher kreisrund? Und zwar alle? Die Studie liefert auch dafür eine Erklärung. Und die geht, vereinfacht gesagt, so: Vor allem der obere Boden in der namibischen Wüste trocknet schnell aus. Frisch gekeimte Gräser haben da keine Chance. Größere Pflanzen dagegen können mit ihrem Wurzelsystem in den tieferen Erdschichten Wasser aufnehmen. Und jetzt, sagt der Göttinger Wüstenökologe, kommt die Geometrie ins Spiel.
"Ein Kreis hat von allen geometrischen Strukturen oder Formen das kleinste Umfang-zu-Fläche-Verhältnis. Wenn die Gräser einen Kreis bilden und nicht etwa ein Dreieck oder ein Viereck oder ein Sechseck, dann muss sich die geringste Anzahl an Einzelpflanzen diese Wassermenge im Feenkreis teilen. Jede Pflanze maximiere so ihren Zugang zum unterirdischen Wasser. Deshalb sei ein Kreis die einzig logische Konsequenz, um das Bodenwasser aus diesen tieferen Schichten optimal nutzen zu können.
Forscher spricht von "Schwarmintelligenz"
Die Gräser scheinen also zu wissen, was sie da tun. Sie organisieren sich und bilden einen Ring, um bei Wasserknappheit das eigene Überleben zu sichern. Forscher Getzin spricht von einer systematischen Anpassung an extreme äußere Bedingungen, die durchaus als Schwarmintelligenz bezeichnet werden kann. "Die Kreise entstehen dadurch, dass die Gräser das Wasser aus dem Kreisinneren absaugen", so Getzin.
Andere Erklärungsversuche für die Feenkreise hält Forscher Getzin für widerlegt.
Alle anderen Erklärungsversuche hält der Göttinger Forscher nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft für widerlegt. Zum Beispiel, dass giftige Rückstände im Boden oder bestimmte Gase für die Entstehung der Kreise verantwortlich sind. Auch die sehr verbreitete Theorie, wonach gefräßige Sand-Termiten die Wurzeln der Gräser anfressen und dadurch die Pflanzen verkümmern lassen, kann so nicht stimmen, sagt der Getzin. In der Namib-Wüste habe er schließlich 500 Gräser ausgegraben und bei der Analyse festgestellt, dass die abgestorbenen Pflanzen im Inneren des Feenkreises genauso lange Wurzeln hatten wie die intakten Gräser außerhalb.
Jeder kann sich zu den Feenkreisen äußern. Man kann auch behaupten, dass Ufos die machen würden oder kosmische Strahlung, bloß: Wissenschaftliche Erkenntnis ist eben immer datenbasiert.
Mythologische Erklärversuche
Natürlich ranken sich aber auch Mythen und Legenden um die rätselhaften Kreise. Das Hirtenvolk der Himba, das im Norden Namibias lebt, kennt solche Erzählungen. Feuerspeiende Drachen kommen darin vor, Geister mit magischen Kräften, Götter, die den Sterblichen auf der Erde einen Besuch abstatten und dabei ihre Fußabdrücke hinterlassen. Oder haben sich vielleicht Zebras oder Antilopen an den immer gleichen Stellen auf dem Boden gewälzt, um Parasiten loszuwerden?
"Es gibt zwar Mythologien, wo man sagt, tanzende Feen würden in der Nacht gekommen sei und haben den Feenkreis gebildet. Es gibt auch die Theorie, dass irgendwelche Drachen über die Landschaft gelaufen sind oder die Tränen des Drachens Feenkreise verursacht haben. Aber wenn man ehrlich mit den Himbas redet, dann äußern die eigentlich nicht diese Theorien, die sehen das als was ganz Natürliches gegeben."
Rund 25 Jahre lang war der Göttinger Forscher dem Geheimnis der Feenkreise auf der Spur. Seit 1999 hat er sich immer wieder mit dem Naturphänomen beschäftigt. Droht ihm jetzt, nachdem das Rätsel gelöst ist, womöglich die wissenschaftliche Langeweile? Ganz offensichtlich nicht.
Göttinger Forscher bleibt den Kreisen treu
Aktuell ist Getzin wieder in Namibia unterwegs. Diesmal geht es um Pflanzen, die in der Wüste kleine Ringe bilden, mit einem Durchmesser von bis zu einem Meter. Zwölf verschiedene Arten hat der Wüstenökologe bereits entdeckt. Von seiner Arbeit erhofft er sich neue Erkenntnisse, wie sich Pflanzen im Zuge des Klimawandels an die Verhältnisse in Gebieten anpassen, die immer trockener werden. Nicht nur in Afrika, sondern, zum Beispiel, auch in Europa, etwa in den Ländern am Mittelmeer.
Er bleibe den Kreisen treu, sagt Getzin. "Das Thema ist immer aktuell und bildet sozusagen das Fundament für die zukünftige Forschung, wie Pflanzen mit Wasserstress klarkommen."