Ein Long-Covid Patient bei einem Lungenfunktionstest.
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Corona-Folgen Was über Long Covid bekannt ist

Stand: 11.05.2023 13:16 Uhr

Für viele Menschen sind die Folgen einer Corona-Infektion noch immer spürbar - auch Wochen oder Monate danach kommen sie nicht auf die Beine. Wer ist betroffen? Und was hilft gegen Long Covid?

Von Veronika Simon, SWR

Wie zeigt sich Long Covid?

Unter den Begriff Long Covid fallen Beschwerden, die nach einer Corona-Infektion auftauchen und keine andere Ursache haben. Das kann zum Teil Wochen nach der eigentlichen Genesung der Fall sein. Wenn sich diese Folgen der Erkrankung länger als drei Monate hinziehen, spricht man von Post Covid. Jedoch wird häufig Long Covid als Oberbegriff für alle Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion verwendet.

Dabei gibt es nicht den einen, typischen Verlauf. Es können sehr viele unterschiedliche Symptome auftreten, die sich auch im Laufe der Zeit verändern können. Möglich sind zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden, Seh- und Hörstörungen, Kopfschmerzen oder Herzrasen. Die Liste der Long-Covid-Beschwerden ist lang. Sie können den ganzen Körper betreffen und auch psychische Probleme wie Depressionen oder Angstzustände sind häufig.

Die meisten Patientinnen und Patienten haben jedoch einige Symptome gemeinsam: Sie leiden unter einer großen Erschöpfung, auch Fatigue genannt, sie sind nicht mehr belastbar, haben Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und klagen über Kurzatmigkeit.

Ein kleiner Teil der Post Covid-Patientinnen und Patienten entwickelt zudem eine Myalgische Enzephalomyelitis/ das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Das ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die auch nach anderen, eigentlichen harmlosen Infektionskrankheiten auftreten kann. Die Betroffenen können unterschiedliche Symptome zeigen.

Wichtig sei dabei jedoch, zwischen dem Symptom der Fatigue auf der einen und dem Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) auf der anderen Seite zu unterscheiden, erklärt Carmen Scheibenbogen gegenüber tagesschau24. Sie ist Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Charité in Berlin. "Es ist nur ein kleinerer Teil der Long Covid-Betroffenen mit Fatigue, die auch an ME/CFS leiden. Hier haben wir es mit einem komplexen Krankheitsbild zu tun, zu dem viele weitere Symptome gehören."

Carmen Scheibenbogen, Immundefekt-Ambulanz Charité, zur Forschung zu ME/CFS und Long Covid

tagesschau24, 10.05.2023 17:00 Uhr

Was weiß man über die Ursachen?

Zu den Ursachen der unterschiedlichen Long Covid-Symptome wird aktuell intensiv geforscht, vieles ist noch nicht endgültig verstanden. Wahrscheinlich spielen jedoch mehrere Faktoren zusammen: Zum einen kann die Infektion selbst beziehungsweise die Abwehrreaktion des Körpers schwere Schäden verursachen. Das kann das Kreislaufsystem oder Organe wie das Herz, die Niere, Leber, Milz oder Bauchspeicheldrüse betreffen und die unterschiedlichsten lang anhaltenden Symptome auslösen.

Darüber hinaus scheint das Immunsystem bei Long Covid-Patienten zum Teil aus der Balance geraten zu sein - auch, wenn sie ursprünglich einen milden Verlauf der Corona-Infektion hatten und ihre Organe nicht geschädigt wurden. So findet man einige Typen von Immunzellen in größerer Anzahl als bei Genesenen ohne Long Covid, andere weniger.

Es gibt auch Hinweise darauf, dass Long Covid-Patienten zum Teil ein erhöhtes Level an Auto-Antikörpern aufweisen, die das eigene Gewebe angreifen. Das könnte der Grund für einige der Long Covid-Symptome sein. Bei Menschen, die langanhaltende kognitive Einschränkungen erleben, wurden zum Beispiel Hinweise auf Schäden des Nervensystems gefunden, die auf so eine Fehlfunktion des Immunsystems zurückgeführt werden könnten.

Doch das ist noch nicht alles: Studien haben auch Hinweise darauf gefunden, dass bei Long Covid bestimmte Viren im Körper wieder aktiviert wurden, die zuvor dort schlummerten. Ein Beispiel dafür ist das Epstein-Barr-Virus. Auch das Mikrobiom des Darmes scheint bei Long Covid-Patienten verändert zu sein, wie eine Studie zeigt. Wahrscheinlich entstehen die Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion also aus dem Zusammenspiel verschiedener Ursachen. Diese werden, wie viele Fragen rund um Long Covid, aktuell noch intensiv erforscht.

Wie viele Menschen sind betroffen?

Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass 50 bis 70 Prozent der Menschen, die mit Covid im Krankenhaus behandelt werden mussten, Long Covid entwickeln. Bei den milderen Verläufen wird der Anteil auf zehn bis 30 Prozent geschätzt, wobei Geimpfte mit zehn bis zwölf Prozent seltener betroffen sind. Ein Übersichtsartikel, der vor kurzem in der Fachzeitschrift Nature Microbiology veröffentlicht wurde, schließt daraus, dass weltweit mindestens 65 Millionen Menschen von Long Covid betroffen sind oder waren.

Jedoch ist es aktuell nicht noch nicht möglich, eine genaue Anzahl der Betroffenen zu ermitteln. Denn Long Covid ist eine vergleichsweise junge Erkrankung und entsprechend noch nicht sehr gut erforscht. Die bereits durchgeführten Studien nutzen zudem nicht immer die gleiche Definition von Long Covid, die Ergebnisse sind also nicht direkt vergleichbar.

Eine Schwierigkeit ist außerdem, dass die Symptome sehr unspezifisch und vielfältig sind. Sie könnten auch bei anderen Erkrankungen oder in Stresssituationen auftreten. Um das zu berücksichtigen, müssten die durchgeführten Studien von besonders guter wissenschaftlicher Qualität sein. Das war in der Vergangenheit aber nicht immer der Fall.

Dazu kommt: Es gibt Hinweise, dass die unterschiedlichen Coronavirus-Varianten nicht das gleiche Risiko mit sich bringen, an Long Covid zu erkranken. Daten aus der Phase der Pandemie, in der die Delta-Variante vorherrschend war, wären also nicht unbedingt auf die aktuelle Situation übertragbar.

Haben alle das gleiche Risiko?

An sich können alle Menschen, die eine Corona-Infektion durchgemacht haben, Langzeitfolgen entwickeln, auch wenn die Infektion selbst milde verlaufen ist. Das Risiko scheint jedoch größer zu sein, wenn auch die Infektion schwerer verlaufen ist. Eine große deutsche Studie hat gezeigt: Alle Altersgruppen können Langzeitfolgen nach einer Infektion entwickeln, auch Kinder und Jugendliche. 

Insgesamt sind jedoch Frauen offenbar häufiger von Long Covid betroffen als Männer. Neben dem Geschlecht erhöhen auch andere Faktoren das Risiko, Long Covid zu entwickeln - etwa Rauchen, ein hoher Body Mass-Index oder bestimmte Vorerkrankungen wie Fibromyalgie, Diabetes oder Asthma. Das zeigt ein Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).

Während besonders ältere Menschen ein großes Risiko haben, schwer an Covid zu erkranken, sind es bei Long Covid vor allem jüngere Erwachsene, die häufiger betroffen sind.

Darüber hinaus könnte die psychische Verfassung der Menschen vor der Infektion eine Rolle spielen - das zeigen aktuelle Studien. So hatten Menschen, die unter Einsamkeit, Überlastungen sowie einer großen Angst vor einer Infektion litten, ein deutlich erhöhtes Risiko, Langzeitfolgen einer Infektion davon zu tragen. 

Wie lange hält Long Covid an?

Wie lange Long Covid den Einzelnen beeinträchtigt, kann sehr stark variieren. Dabei kommt es zum Beispiel auch auf die Vorerkrankungen oder den Impfstatus der Menschen an.

Die ständige Erschöpfung und die dauerhaften körperlichen und psychischen Beschwerden sind für Betroffene sehr belastend. Doch in den meisten Fällen verschwinden die Symptome mit der Zeit. Eine große dänische Studie hat zum Beispiel gezeigt, dass von über 10.000 Menschen, die an Covid erkrankten, etwa zwölf Prozent vier Wochen nach der Infektion noch Beschwerden aufwiesen. Drei Monate nach der Erkrankung waren es nur noch drei Prozent.

In der Studie wurden allerdings nur Menschen miteinbezogen, die eine milderen Covid-Verlauf hatten und die danach nicht im Krankenhaus behandelt werden mussten. Ein schwerer Covid-Verlauf bringt jedoch wahrscheinlich ein erhöhtes Long Covid-Risiko mit sich.

Hier finden Betroffene Hilfe

Wer den Verdacht hat, an Long Covid erkrankt zu sein, sollte sich in einem ersten Schritt an den Hausarzt oder die Hausärztin wenden. Darüber hinaus gibt es weitere Anlaufstellen, Selbsthilfegruppen und Möglichkeiten, Hilfen zur Bewältigung des Alltags zu erhalten. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet hier weitere Hinweise, wohin sich Betroffene wenden können.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten Deutschlandfunk Nova am 03. Mai 2023 um 13:10 Uhr und tagesschau24 am 10. Mai 2023 um 17:58 Uhr.