Klimaschutz Wie die neue CO2-Abgabe wirkt
Die neue CO2-Abgabe soll seit Januar Verbraucher und Industrie zum Energiesparen anregen. Das Ziel: Weg von Kohle und Gas, hin zu Strom aus erneuerbaren Energien. Doch wie stark wirkt die Abgabe?
Der Umstieg von fossilen Energieträgern auf Strom aus Erneuerbaren wie Wind und Sonne geht kaum voran. Noch steht Ökostrom nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung. Nicht einmal die Hälfte des aktuellen Stromverbrauchs lässt sich mit den Erneuerbaren bestreiten. In den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres lieferten die regenerativen Stromquellen nur 178 Milliarden Kilowattstunden, gegenüber 249 Milliarden kWh aus konventionellen Energieträgern. Deren Anteil legte sogar zu.
Der Energieverband BDEW, von dem diese Zahlen stammen, forderte daher mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren, insbesondere bei der Windkraft an Land. Hemmnisse wie langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren, fehlende Flächen und uneinheitliche Regelungen im Artenschutz müssten dringend aus dem Weg geräumt werden, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Die Energiewende müsse ganz oben auf der To-Do-Liste der neuen Bundesregierung stehen.
Strom aus Kohle und Gas wieder auf dem Vormarsch
Schaut man genauer auf den Ist-Zustand, dann zeigt sich: Fast die Hälfte des Stroms in Deutschland wurde zuletzt mit Erdgas und Kohle erzeugt sowie mit Atomkraftwerken, die demnächst abgeschaltet werden sollen. Das Gas, das zu einem Großteil aus Russland kommt, erreichte bei der Stromerzeugung im ersten Halbjahr sogar den Spitzenplatz und löste dabei die Windkraft ab, die zuvor vorne lag.
Für die Energiewende war das ein Rückschlag. Ohne AKW müsste notfalls noch mehr Strom aus fossilen Energieträgern kommen, falls der Ausbau der Windenergie nicht wesentlich schneller vorangeht. Und der stockt momentan. Schon seit 2020 werden nur noch wenige neue Windräder gebaut oder auch nur genehmigt. Für den Verbraucher ist das ein Problem. Der Strom verteuert sich, weil so noch mehr CO2-Zuschläge anfallen.
CO2-Abgabe bereits voll auf erneuerbare Energien ausgelegt
Vereinfacht gesagt, sind die neuen Energiesteuern für die Zukunft bereits da - und zum Teil auch schon zu zahlen. Aber ein weitergehender Umstieg auf klimaschonende Energie ist für die Bürger noch nicht möglich, da der gesamte Ökostrom bereits verbraucht wird. Wer zum Beispiel heute ein Elektroauto kauft, wird noch lange Zeit mit einem Strom-Mix unterwegs sein, der viel fossile Energie enthält, sogar aus besonders umweltschädlicher Braunkohle-Verstromung. Für den Strom aus Kohle, Gas oder Erdöl fallen bei der Herstellung bereits CO2-Abgaben an. Das soll auch für Stromkonzerne den Einstieg in die Erneuerbaren attraktiver machen.
Alle Parteien mit Ausnahme der AfD versprachen im Bundestagswahlkampf Abhilfe mit einem Anlauf für mehr Windkraft und Solarenergie. So sind sich Unionsparteien, FDP und auch die SPD darin einig, dass die alte Ökostromförderung mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (per EEG-Umlage) so nicht mehr weiterverfolgt werden soll.
Das EEG soll auslaufen und die Verbraucher dann auch nicht mehr die damit verbundene Umlage bezahlen müssen. Das ist bislang aber nur ein Versprechen, so dass die Stromkunden zurzeit doppelt zur Kasse gebeten werden: einmal für die alte Förderung des EEG und einmal für den Einstieg in die allgemeine CO2-Abgabe, der im Januar bereits erfolgt ist.
Raus aus der EEG-Umlage und rein in die CO2-Abgabe?
Mit der neuen Besteuerung des Treibhausgases CO2 versuchte die alte Bundesregierung bereits in diesem Jahr eine neue Klimapolitik. 25 Euro pro verursachter Tonne CO2 sind zu zahlen beim Handel mit Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas. Das trifft neben Autofahrern auch Mieter. Was Letztere betrifft, hätte die SPD gern eine Beteiligung der Vermieter an den höheren Energiekosten durchgesetzt. Doch auch aus der geteilten CO2-Abgabe für Mietwohnungen ist bislang nichts geworden.
Der Eigentümerverband Haus & Grund hat ausgerechnet, dass die neuen Klimaziele das Bauen und Wohnen teurer machen. So werden Heizung und Warmwasser bei einer 90 Quadratmeter großen Wohnung ab 2025 zwischen 300 und 600 Euro mehr im Jahr kosten. Auf den Monat verteilt entspräche das einer Mieterhöhung um 25 bis 50 Euro.
Bis 2025 soll die Steuer auf 55 Euro pro Tonne steigen, was aus heutiger Sicht mehr als eine Verdoppelung wäre. Beim Endverbraucher macht sich das bislang (Stand 2021) mit etwa 7,5 Cent bei einem Liter Benzin oder 7,9 Cent bei einem Liter Heizöl bemerkbar. Beim Erdgas geht es bislang um 0,6 Cent brutto pro Kilowattstunde mit steigender Tendenz. Die 6,5 Cent, die wegen der EEG-Umlage für eine Kilowattstunde Strom zu zahlen sind, sollen wegfallen, so versprechen es die Befürworter unter den Parteien.
Doch im Moment sind noch beide Abgaben in vollem Umfang zu zahlen. Davon geht nicht die erhoffte steuerliche Lenkungswirkung aus. Ein Umstieg zum Beispiel von einer kostengünstigen Gasheizung auf eine elektrische Wärmepumpe hätte derzeit - abgesehen von zusätzlichen Kosten für Umbaumaßnahmen - noch nicht den gewünschten Spareffekt. Damit sich das richtig lohnt, müsste der Strom billiger und das Erdgas teuer werden. Allgemein hat sich Heizen wie Tanken aber schon verteuert mit der ersten Stufe der CO2-Abgabe. Den weiteren Anstieg wollen SPD, Grüne und FDP sowie CDU und CSU sozial abfedern.
Die Politik verspricht gegenzusteuern
Angesichts der stark steigenden Energiepreise, die einer der Hauptgründe für die hohe Inflation sind, versprachen die Parteien im Wahlkampf bereits einen sozialen Ausgleich. Bei den Unionsparteien ist das zunächst der geplante Wegfall der EEG-Umlage. Damit soll der Strompreis günstiger werden. Die CSU brachte eine Anhebung der Pendlerpauschale ins Spiel. Das soll vor allem im ländlichen Raum die Fahrt zur Arbeit bezahlbarer machen.
Union und Freie Wähler schlagen außerdem eine Erhöhung des Wohngelds vor. Das umfasst beim Arbeitslosengeld II - auch bekannt als Hartz IV - häufig nur noch einen Bruchteil der Betriebskosten wie für Heizung, Warmwasser und Strom. Gerade für geringere Einkommen sind die Kosten für Energie vielfach schon zu hoch.
Auch die SPD will entsprechend gegensteuern und prüft zusätzlich einen sogenannten Pro-Kopf-Bonus. Damit sollen soziale Härten bei der CO2-Abgabe abgefedert werden, die ja bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne steigen soll. Die Grünen wiederum wollen diesen Preis sogar schneller und stärker anheben auf 60 Euro pro Tonne - und das schon 2023. Dafür sollte es aber eine großzügigere Rückzahlung und Erstattung der CO2-Steuer geben, hieß es im grünen Wahlprogramm.
Allgemein wollen SPD und Grüne fossile Energieträger zum Schutz des Klimas verteuern und die Staatseinnahmen daraus an anderer Stelle erstatten. Wie und wo genau, ist derzeit noch offen. Eine Abschaffung der EEG-Umlage ist auch von der FDP geplant. Sie hält allerdings auch nicht viel von der bestehenden CO2-Abgabe, die feste Preise vorsieht. Die Liberalen denken eher an ein reines Marktmodell mit freien Preisen für Emissionszertifikate. Das würde ganz auf den Handel mit solchen Zertifikaten setzen, die Unternehmen heute benötigen, wenn sie bei ihrer Herstellung fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas einsetzen.
Aktuell eine Mischform mit CO2-Zertifikaten
Für große Industriebetriebe gibt es bereits den EU-weiten Handel mit Zertifikaten, die sie für die Emission des Treibhausgases CO2 brauchen. Seit diesem Jahr müssen auch kleinere deutsche Firmen, die zum Beispiel fossile Brennstoffe verkaufen, Zertifikate kaufen, die von der Bundesregierung ausgegeben werden. Die erhöhten Energiekosten können die Unternehmen - ähnlich wie die Mehrwertsteuer - an ihre Kunden und an die Verbraucher weitergeben.
Erst von 2026 an ist auch bei den deutschen Zertifikaten ein Handel über die Börse mit einer freien Preisfindung geplant. Diesen Marktpreis könnte die Regierung beeinflussen mit der Anzahl der Emissionsrechte, die sie für die Wirtschaft bereitstellt. Mit einer Verminderung dieser staatlich gewährten Rechte könnte der CO2-Preis deutlich steigen, wenn die Zertifikate knapp werden. So würde es immer schwieriger werden, Produkte auf der Basis von fossilen Energien herzustellen, bei deren Verbrennung das Treibhausgas entsteht.
Es braucht vor allem mehr Ökostrom
Die Regierung müsste dann aber aufpassen, dass sie mit einem drastischen Anstieg der Emissionspreise nicht die Konjunktur abwürgt. Eine Folge wäre eine starke Verteuerung vieler Produkte, deren Herstellung nur mit fossilen Energieträgern möglich ist. Das trifft etwa auf zahlreiche Grundstoffe zum Beispiel in der chemischen Industrie zu. Die CO2-Bepreisung dürfe nicht zum Jobkiller werden, heißt es von Seiten des Verbands der deutsche Chemie- und Pharmaindustrie. In der Industrie habe Kohlendioxid längst einen Preis auf der Basis des europäischen Emissionshandels. Die Regierung müsse daher vorsichtig sein, welche Klimaschutz-Modelle sie zusätzlich für welche Bereiche der Wirtschaft auswähle. Im Verkehrssektor und bei der Gebäudesanierung sieht der Verband aber noch viel Nachholbedarf.
Für Immobilienbesitzer und Unternehmer scheint gleichermaßen zu gelten: Entweder, sie investieren in mehr Klimaschutz und erneuerbare Energien oder sie zahlen höhere CO2-Steuern. Wohnungsmieter hingegen haben kaum eine Wahl, weil sie wenig Einfluss auf die Wärmedämmung oder die Art der Heizung nehmen können. Generell sollten regenerative Energien in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Sonst kann die CO2-Abgabe die gewünschte Lenkungsfunktion in Richtung Klimaschutz nicht entfalten, und es fallen unterm Strich vor allem mehr Steuern an.