Hintergrund

Der Klimawandel und seine Folgen Das Ende der klassischen Sicherheitspolitik

Stand: 17.12.2009 13:28 Uhr

Die Forschung ist sich einig: Unter den Auswirkungen des Klimawandels müssen weltweit vor allem die Ärmsten leiden. Viele von ihnen werden aus überfluteten Häusern oder von vertrockneten Felder flüchten. Damit sind in einer dicht besiedelten Welt Konflikte unausweichlich. Aber nicht nur die erwarteten Wanderbewegungen stellen die internationale Sicherheitspolitik vor neue Probleme.

Von Alexander Richter, tagesschau.de

Die Folgen des Klimawandels sind für manche Weltregionen dramatisch. Steigende Temperaturen lassen das Eis in den Polarregionen schmelzen. In der Folge versinken tief liegende Landstriche im Wasser. Küstengebiete oder Flussniederungen werden voraussichtlich häufiger und verheerender überflutet. Andere Regionen sollen den Prognosen zufolge unter Wassermangel leiden. Dort zerstören Hitzewellen und Dürren die Ernten und damit die Lebensgrundlage der Menschen. 

Durch diese Phänomene des Klimawandels können bereits vorhandene oder aufkommende Konflikte verschärft werden. Besonders anfällig hierfür sind Länder, die nur schwache staatliche Strukturen oder ein unzureichendes Rechtssystem haben. Fatalerweise treffen diese Voraussetzung häufig auch für jene Länder zu, die ohnehin besonders unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben werden - ein Teufelskreislauf. 

Experten sagen deshalb das Ende der klassischen Sicherheitspolitik voraus. Der "wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung globale Umweltbedingungen" erstellte die viel beachtete Studie "Sicherheitsrisiko Klimawandel". Darin warnen Wissenschaftler vor der Zunahme sogenannter "schwacher Staaten", globaler Verteilungskämpfe und neuen Flüchtlingsbewegungen. Die Deutschen stehen mit dieser Meinung nicht alleine da. Ähnliche Studien gibt es aus anderen europäischen Ländern und aus den USA.

Zwischenstaatliche Kriege sind die Ausnahme

Die meisten Konflikte werden nach Überzeugung der Forschung aber kaum Kriege zwischen Staaten sein. Viele erwarten stattdessen beispielsweise Streits zwischen Nachbarn um Wasserquellen, Ackerland und Viehweiden. Aber auch der Verteilungskampf zwischen Clans und anderen nichtstaatlichen Gruppen wird den Prognosen zufolge zunehmen - und sobald länger anhaltende Gewalt ins Spiel kommt, sind Fluchtbewegungen kaum zu vermeiden.

Darfur-Konflikt

Der Darfur-Konflikt wird von einigen Wissenschaftlern als der "erste Klima-Krieg" bezeichnet. Tatsächlich stellte das UN-Umweltprogramm in einer Studie zum Darfur-Konflikt (www.unep.org/sudan) unter anderem fest, dass in den vergangenen Jahrzehnten der Regen in der Region um bis zu 34 Prozent zurückging. In der Folge verließen Menschen ihre angestammten Gebiete im Norden und stritten mit Viehzüchtern und Ackerbauern um fruchtbareres Land weiter im Süden. Diese Wanderbewegung verstärkte das ohnehin vorhandene Konfliktpotenzial innerhalb des Sudan und trieb etwa drei Millionen Menschen in die Flucht.

Voraussichtlich besonders betroffen ist der afrikanische Kontinent. Bereits heute lässt die Europäische Union ihre Außengrenzen überwachen. Die EU-Agentur "Frontex" soll vor allem illegal einreisende Afrikaner abfangen, bevor diese Europa überhaupt erreichen. In einem Papier des EU-Instituts für Sicherheitsstudien wird angemahnt, die Grenzen noch stärker abzuschotten. Unter dem Titel "Anstrengungen für eine Europäische Verteidigung im Jahr 2020" heißt es: Grenzoperationen seien die Abschirmung der global Reichen gegen die Probleme und Spannungen der Armen".

Doch das Papier wirft noch andere sicherheitspolitische Aspekte des Klimawandels auf: Die Bemühungen zum Schutz der Umwelt überall auf der Welt müssten verstärkt werden. "Dies bedingt globale Überwachungs- und Durchsetzungskapazitäten, im schlimmsten Fall beinhaltet das ein robustes Mandat", heißt es. Was der Autor damit meint: Europas Militär wird künftig auch zum Schutz wichtiger Ökosysteme eingesetzt werden.

Rasmussen: Auch die NATO soll ihren Beitrag leisten

Auch innerhalb der NATO wird der weltweite Temperaturanstieg diskutiert. Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte Anfang Oktober, Umweltschutz und Militär gehörten zusammen. Er forderte, den Klimawandel stärker in die politischen Planungen einzubeziehen. Die Nachrichtendienste sollten das Thema zu einem Hauptaugenmerk erklären und die Armeen sollten in die Lage versetzt werden, künftig mit schweren Stürmen, großen Fluten oder plötzlichen Massenwanderungen umgehen zu können - sei es international oder im eigenen Land.

US-Militärbasis auf Diego Garcia im Indischen Ozean

Das US-Militär auf Diego Garcia im Indischen Ozeans ist von den Folgen des Klimawandels direkt betroffen...

Doch allein könne das Militär die Herausforderungen des Klimawandels nicht bewältigen, darin ist sich Rasmussen mit den Forschern des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung einig. Es bedürfe einer neuen zivil-militärischen Vernetzung. Insgesamt, so resümierte der NATO-Generalsekretär, erfordere die Bewältigung des Klimawandels "viel mehr Kraft, viel mehr Neuerungen und viel mehr Zusammenarbeit".