Reaktionen zum Klimakompromiss "Eine Ohrfeige für das Weltklima"
US-Präsident Obama und UN-Generalsekretär Ban sind sich einig: Der Klimabeschluss ist ein "guter Anfang". Die große Mehrheit der Politiker, Experten und Umweltschützer allerdings zeigt sich enttäuscht von dem Ergebnis des Gipfels - sie hatten mehr erwartet.
Umweltschützer kritisieren die Beschlüsse von Kopenhagen als "Fehlschlag", Politiker und Experten zeigen sich tief enttäuscht - die Reaktionen auf das Ergebnis des UN-Klimagipfels fallen überwiegend negativ aus.
Gestern Abend hatte US-Präsident Barack Obama das Ergebnis der Verhandlungen als "bedeutendes und beispielloses Klimaabkommen" bezeichnet - allerdings bereits eingeräumt, es dürfe erst der Anfang weiterer Anstrengungen sein. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich verhalten positiv. Er sprach von einer "wichtigen Etappe". Zwar hätten sich viele Hoffnungen nicht erfüllt, doch "es ist ein Anfang, ein wichtiger Anfang."
Gemischte Gefühle bei Merkel und Röttgen
Bundeskanzlerin Angela Merkel gab zu, dass sie den Inhalt der Erklärung "mit gemischten Gefühlen" sehe. Dennoch verteidigte sie das Ergebnis des Gipfels gegen überzogenen Kritik: "Wer Kopenhagen jetzt nur schlecht redet, beteiligt sich am Geschäft derer, die bremsen, statt voranzugehen", sagte sie der "Bild am Sonntag". Bundesumweltminister Norbert Röttgen sprach in der Tagesschau von einem Rückschlag. Es sei viel weniger als möglich und nötig erreicht worden. Weiter gehende Schritte habe vor allem die chinesische Delegation verhindert, hatte der Minister bereits gestern erklärt. Sie habe immer wieder Blockaden herbeigeführt.
Dagegen bewertete die chinesische Regierung das Gipfel-Ergebnis positiv. "Dank der Anstrengungen aller Parteien wurde bei dem Treffen ein wichtiges und positives Ergebnis erzielt", sagte Außenminister Yang Jiechi in Peking. Allerdings sei der Gipfel "nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang" gewesen, um die Probleme durch den Klimawandel in den Griff zu bekommen.
Ein "unrühmliches Kapitel"...
Der frühere Bundesumweltminister und jetzige SPD-Chef Sigmar Gabriel hielt Merkel vor, die Position ihrer Regierung, die Hilfen für den Klimaschutz mit den Mitteln für die Entwicklungshilfe und Armutsbekämpfung zu verrechnen, sei eine Schande. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast wertete den Ausgang des Gipfels als "Desaster". Trotz aller eindringlichen Warnungen der Klimawissenschaft stehe die Weltgemeinschaft klimapolitisch mit leeren Händen da. "Das Erreichen des Zwei-Grad-Ziels ist damit in weite Ferne gerückt", so Künast. Bundeskanzlerin Merkel trage für dieses Scheitern eine Mitverantwortung. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth regte ein europäisches Bürgerbegehren für ein verbindliches Klimaabkommen zumindest auf EU-Ebene an.
...und ein "schwarzer Tag"
Der frühere deutsche Chef des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, setzte den Minimalkompromiss einem Scheitern gleich. Es müsse nun "klar sein, dass wir nicht dann erst anfangen, die Klimagase zu reduzieren, wenn wir alle gemeinsam einen Vertrag gemacht haben", sagte er dem rbb-Inforadio.
Der Klimaforscher Mojib Latif von der Universität Kiel zeigte sich "maßlos enttäuscht". Im Gespräch mit tagesschau.de sagte er: "Heute ist ein schwarzer Tag für die Klimaforschung."
Nach Ansicht von Wissenschaftlern ist der Klimakompromiss kaum geeignet, den Klimawandel zu stoppen. "Ohne abgestimmte Ziele für die Treibhausgas-Reduzierung ist die Erderwärmung nicht auf zwei Grad Celsius zu begrenzen", sagte der Leiter des Fachbereichs Klimawissenschaften am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut, Peter Lemke.
"Ohrfeige für das Weltklima"
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz nannte das Ergebnis des Kopenhagener Klimagipfels eine "bittere Enttäuschung". Der BUND-Vorsitzende, Hubert Weiger, bezeichnete es als "Bankrotterklärung" der Staats- und Regierungschefs, dass nach jahrelangen Vorverhandlungen am Ende keine ausreichenden Beschlüsse stehen, die "der Dramatik des Klimawandels angemessen" seien. "Das Kopenhagen-Ergebnis ist eine Ohrfeige für das Weltklima und die ärmsten Staaten der Erde, die unter den Folgen des Klimawandels am meisten leiden." Die Bemühungen um mehr Klimaschutz seien um Jahre zurückgeworfen worden, so Weiger.
"Schande für die Industrieländer"
Die Umweltorganisation Greenpeace sprach von einem "ernüchternden" Ergebnis. Eine historische Chance sei verpasst worden, kritisierte der Klimachef von Greenpeace International, Martin Kaiser. Christoph Bals von Germanwatch bemängelte, die Klimaschutzambitionen seien völlig unzureichend. "Wenn sie nicht nachgebessert werden, wird es die Existenz von Staaten gefährden." Die Substanz des Kompromisses sei "erbärmlich schwach." Die Staatschefs sollten gleich einen neuen Termin vereinbaren.
Greenpeace-Aktivisten beim Klimagipfel in Kopenhagen
Als "reine Farce" bewertete das globalisierungskritische Netzwerk Attac den UN-Gipfel. "Kopenhagen war höchstens in Bezug auf das Ausmaß seines Scheiterns ein historischer Gipfel", erklärte Attac-Klimaexperte Chris Methmann
Auch die Kirchen übten scharfe Kritik. "Wir sind leider kaum einen Schritt weiter, der Schöpfungsverantwortung gerecht zu werden", erklärte der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Das katholische Hilfswerk Misereor nannte das Ergebnis eine "Schande für die Industrieländer und eine Katastrophe für die Menschen in den Entwicklungsländern". Die Direktorin des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, bemängelte Bundesregierung und EU hätten "viel zu lange taktiert, um die Kosten niedrig zu halten". Ihr Fazit: "Die internationale Klimapolitik steht vor einem Scherbenhaufen".