Klimawandel trifft Winzer Wenn dem Wein das Wasser fehlt
Der Klimawandel ist in Deutschlands Weinbergen zu spüren. Hitze und Trockenheit machen Wasser zum raren Gut. Welche Auswege suchen die Winzer? Sind Bewässerungssysteme die Zukunft?
Kai Schätzel arbeitet auch an diesem Tag wieder in seinem Weinberg. Die ganze Nacht hat es geregnet. Es ist nasskalt. Trotzdem denkt er an die Trockenheit im Sommer. "Ich freue mich über jeden Regentropfen. In diesem Winter ist schon eine Menge Wasser vom Himmel gefallen. Aber die Natur braucht noch deutlich mehr", sagt er.
Schätzel betreibt einen jahrhundertealten Familienbetrieb im rheinland-pfälzischem Nierstein mit bis zu 20 Mitarbeitern. Schon seit mehr als zehn Jahren verändern der Klimawandel und die damit verbundene Trockenheit die Abläufe in seinem Betrieb. "Mit Blick auf die Temperaturen liegen wir hier in Rheinhessen eigentlich 500 Kilometer weiter südlich als noch vor 100 Jahren", fasst Schätzel die langfristige Entwicklung zusammen. "Im Sommer haben wir hier teils 60 Grad Bodentemperatur. Das ist heftig."
Zusätzliches Wasser nur im Notfall
Um seine Reben und somit seine Ernte zu sichern, versucht Schätzel, mehr Humus im Boden aufzubauen. So soll das Wasser besser gespeichert werden. Außerdem schneidet er seine Pflanzen stärker zurück. Die Reben werden kleiner gehalten und sollen sich auch selbst beschatten. Im Sommer wachsen die Blätter teils wie eine riesige Pergola über den Weinberg. Zusätzliches Wasser werde in seinem Betrieb nur im Notfall eingesetzt, wenn Pflanzen drohten zu vertrocknen. "Dann nehme ich nur Regenwasser, das ich jetzt im Winter auffange", sagt Schätzel. Auch viele andere Winzer in der Region würden so verfahren.
Debatte über Grundwassernutzung für Weinbau
Auf der anderen Rheinseite steht Hans Reiner Schultz an einer Wetterstation. Dem Professort macht das schlechte Wetter gute Laune. Schultz ist Präsident der Hochschule Geisenheim, an der unter anderem Weinwirtschaft gelehrt wird. "Diese Wetterstation gibt es seit 1882. Die Daten sind eindeutig. Seit Mitte der 80er steigen die Temperaturen", bilanziert Schultz. Das Wasser verdunste zudem deutlich schneller als früher - selbst im Winter. "Ich komme aus einer Winzerfamilie an der Mosel. In meiner Kindheit gab es auch Sommer, die waren im Vergleich mit anderen Jahren zu kalt und zu nass. Das gibt es heute nicht mehr."
Schultz erzählt, dass die Durchschnittstemperatur im Rheingau im Hitzesommer 2018 den Verhältnissen im Weinbaugebiet Adelaide Hills in Australien entsprochen habe. Dort herrschten bislang eigentlich ganz andere klimatische Bedingungen. "Bewässerungssysteme aufzubauen, ist technisch kein Problem. Digital kann man das wunderbar steuern", sagt der Wissenschaftler. "Aber darf man ein knapper werdendes Gut wie Grundwasser für Weinbau einsetzen? In Australien laufen die Debatte längst - und zwar heftig." An der Uni in Geisenheim habe man sich daher längst auf den Klimawandel mit all seinen Folgen eingestellt.
"Klimawandel ändert auch bei uns vieles"
In Bonn beim Deutschen Weinbauverband beugt sich Klaus Schneider über seinen Schreibtisch. Vor ihm liegen die Erntemengen der vergangenen Jahre in der Bundesrepublik. "Der Klimawandel ändert auch bei uns vieles. Die Produktionsmengen bleiben aber konstant. Sie liegen meist zwischen 8,5 und neun Millionen Hektolitern im Jahr."
Allerdings hätten die heißen und teils sehr trockenen Sommer große Auswirkungen auf die Arbeit der Winzer. So setze die Vegetationszeit um zwei bis vier Wochen früher ein. Vor allem die Trockenheit mache den Winzern zu schaffen. Den zusätzlichen Einsatz von Wasser hält Schneider für schwierig. Zum einen spiele die Ressourcenschonung eine immer größere Rolle. Zum anderen seien Bewässerungssysteme für viele Winzer viel zu kostspielig. Außerdem sei es in einigen Bundesländern verboten, das Grundwasser anzuzapfen.
Im verstärkten Einsatz von Humus sieht Schneider derzeit aber auch keine dauerhafte Lösung. "Humus-Dünger enthält teils zu viel Stickstoff und Phosphat. Diese Stoffe dürfen aber aufgrund der neuen Düngeverordnung kaum noch ausgebracht werden, um das Grundwasser zu schützen." Man müsse nach anderen Alternativen Ausschau halten.
Langfristig wohl höhere Preise
In den Weinhängen in Nierstein ist Kai Schätzel inzwischen von mehreren Azubis umringt. Der Winzer erklärt, wie er die Reben schneidet, damit sie sich in ein paar Monaten selbst vor der Hitze schützen können. Zudem wird später auch Stroh ausgelegt, um die Feuchtigkeit besser im Boden zuhalten. "Grundwasser anzuzapfen und das dann über die Kulturen zu gießen, ist keine Lösung. Ich würde dann massiv in das Ökosystem eingreifen." Diese Zeiten seien vorbei.
Die Winzer stellen sich um. Was bedeutet das für die Kunden? "Die Qualität wird sicher hoch bleiben", erklärt Schätzel. "Aber die gleichen Produktionsmengen sind bei weniger Wasser nicht zu halten. Der Anbau wird aufwändiger. Langfristig wird es wohl teurer werden. Ich glaube aber, dass unsere Kunden dafür Verständnis haben. Nachhaltiges Wirtschaften kostet einfach mehr." Das sei in anderen Wirtschaftsbereichen genauso.