Folge von Krieg und Katastrophen Zahl der Binnenflüchtlinge so hoch wie nie
Es sind vor allem Kriege und Konflikte, die immer mehr Menschen weltweit zur Flucht im eigenen Land zwingt. Noch nie waren es so viele wie jetzt, zeigt eine Erhebung einer UN-nahen Beobachtungsstelle.
Kriege und Konflikte haben die Zahl der Menschen, die im eigenen Land auf der Flucht sind, weltweit auf einen neuen Höchststand getrieben. 75,9 Millionen Menschen waren Ende 2023 Binnenvertriebene - also aus ihren Ortschaften geflohen und anderswo in ihrem Heimatland untergekommen. Das berichtete die Beobachtungsstelle für Binnenvertriebene (IDMC) in Genf. Das waren rund sieben Prozent mehr als ein Jahr zuvor und 50 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor.
Die IDMC unterscheidet in ihrem Bericht zwischen den Binnenvertriebenen selbst und der Zahl der Vertreibungen. Dieselbe Person kann demnach in einem bestimmten Zeitraum mehrmals vertrieben werden. Zwei Drittel der neuen Vertreibungen im vergangenen Jahr machten 2023 die Konflikte im Sudan, der Demokratischen Republik Kongo und dem Gazastreifen aus.
Menschen im Gazastreifen wurden mehrfach vertrieben
Nahezu die Hälfte aller Binnenflüchtlinge weltweit fallen auf afrikanische Länder. Viele davon im Sudan: Innerhalb des Landes seien Ende 2023 mehr als neun Millionen Menschen auf der Flucht vor Gewalt gewesen. Im Gazastreifen wurden dieselben Personen mehrfach vertrieben. Zum Jahresende wurden insgesamt 1,7 Millionen Binnenflüchtlinge erfasst. Allein in den letzten drei Monaten von 2023 nach Beginn des Krieges berechnete die IDMC 3,4 Millionen neue Vertreibungen, was demnach 17 Prozent der gesamten Konfliktvertreibungen weltweit im Laufe des Jahres entsprach.
Die Gesamtzahl der Menschen, die wegen Kriegen, Konflikten oder Katastrophen aus ihrer Heimat fliehen mussten, ist deutlich höher. Sie berücksichtigt auch Menschen, die über die Grenzen in andere Länder geflohen sind. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR lag diese Zahl Ende 2023 bei rund 114 Millionen Menschen. Das UNHCR befürchtet, dass sie bis Ende des Jahres auf 130 Millionen steigen könnte.
Laut IDMC mussten fast 90 Prozent der Binnenvertriebenen wegen Konflikten und Gewalt aus ihren Heimatorten fliehen, die anderen aufgrund von Katastrophen. Ende 2023 gab es 7,7 Millionen Menschen, die wegen Überschwemmungen, Stürmen, Erdbeben, Bränden und anderen Katastrophen vertrieben worden waren und anderswo in ihren Heimatländern Zuflucht gefunden hatten.
"Konfliktprävention hat versagt"
Die Verbindungsstelle setzt sich dafür ein, Ländern bei der Versorgung von Binnenvertriebenen mehr zu helfen. "Konflikte und die Verwüstungen, die hinter den Menschen liegen, bedeuten, dass Millionen sich kein neues Leben aufbauen können, und das oft über Jahre hinweg", sagte IDMC-Direktorin Alexandra Bilak. Die hohe Zahl sei "ein vernichtendes Urteil über das Versagen der Konfliktprävention und der Friedensschaffung", sagte Jan Egeland, Generalsekretär des norwegischen Flüchtlingsrats, der die Beobachtungsstelle gegründet hat.
Das Völkerrecht unterscheidet zwischen Binnenflüchtlingen einerseits und Flüchtlingen andererseits. Flüchtlinge fliehen vor Unterdrückung, Gewalt und Krieg aus ihrem Heimatland in ein anderes Land. Das Beobachtungszentrum für interne Vertreibung mit Sitz in Genf gehört zum Norwegischen Flüchtlingsrat. Das Zentrum arbeitet eng mit den Vereinten Nationen zusammen.