Protest gegen Steuererhöhungen Demonstranten stürmen Parlament in Kenia
Kenias Regierung plant, einige Steuern zu erhöhen. Tausende Menschen protestierten dagegen in der Hauptstadt und drangen teils auf das Parlamentsgelände vor. Die Polizei reagierte mit Schüssen, mehrere Menschen wurden getötet.
Während der Debatte über umstrittene Steuererhöhungen haben in der kenianischen Hauptstadt Nairobi Demonstranten das Parlamentsgelände gestürmt. Auf Bildern im kenianischen Fernsehen war zu sehen, wie mehrere hundert Menschen die Polizeiabsperrungen überwinden.
Die Lage ist äußert unübersichtlich, berichtet ARD-Korrespondent Thilko Gläßgen aus Nairobi. Die Polizei sei brutal vorgegangen und habe auf Demonstranten geschossen. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Amnesty Kenya sind mindestens fünf Menschen getötet worden. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete zuvor unter Berufung auf einen Rettungssänitäter von mindestens zehn Toten und etwa 50 Verletzten. Offizielle Zahlen der kenianischen Behörden gibt es bisher nicht.
Demonstrierende setzten Teile des Parlaments sowie des Rathauses von Nairobi in Brand, berichtet Gläßgen. Fernsehbilder zeigten eingeworfene Fenster und Zerstörungen am Parlamentsgebäude. Abgeordnete sollen die Flucht ergriffen haben.
Brand im Parlament und im Rathaus
Mit "Ruto must go"-Sprechchören forderten die mehrheitlich jungen Demonstranten den Rücktritt von Staatschef William Ruto. Zudem forderten sie eine funktionierende öffentliche Verwaltung.
Aus anderen Landesteilen wurde ebenfalls über Plünderungen und brennende Fahrzeuge, aber auch friedliche Demonstrationen berichtet. Auch Kirchen und Wirtschaftsvertreter sprachen sich gegen das Gesetz aus.
Kenianische Medienunternehmen meldeten am Nachmittag, ihnen sei von Vertretern der Regierung wegen der Berichterstattung über die Proteste mit Schließungen gedroht worden. Während der Demonstrationen war das Internet im Land massiv gestört, teilte die Organisation NetBlocks unter Berufung auf Echtzeit-Netzwerkdaten mit.
Höhere Lebenshaltungskosten befürchtet
Trotz der Proteste billigte das Parlament das umstrittene Finanzgesetz. Im Parlament fand zum Zeitpunkt der Stürmung die dritte Lesung statt. Zwei Drittel der Abgeordneten stimmten dafür. Das Gesetz wird nun Staatschef Ruto zur Unterschrift vorgelegt.
Viele Menschen in Kenia befürchten, dass durch das Gesetz die Lebenshaltungskosten weiter steigen. Vorgesehen ist unter anderem eine Ökosteuer, durch die der Preis für Hygieneartikel für Frauen und Kinder steigen würde.
Die Regierung reagierte mit einigen Zugeständnissen und versprach, die geplanten neuen Steuern auf Brot, Speiseöl, den Besitz eines Autos und Finanztransaktionen zu streichen. Die Demonstranten fordern allerdings, das Gesetz vollständig zu kippen.
Opposition für internationales Einschreiten
Präsident Ruto nannte die Proteste "verräterisch". "Organisierte Kriminelle" hätten die Proteste infiltriert und unterwandert. Die Sicherheit der Kenianer bleibe seine höchste Priorität. Der kenianische Oppositionsführer Raila Odinga forderte ein sofortiges Ende der Gewalt und rief zu Dialog und internationaler Intervention auf, wie der kenianische Sender KTN News berichtete.
Zahlreiche westliche Staaten äußerten sich zutiefst besorgt über die Ausschreitungen. Die diplomatischen Vertretungen seien "besonders schockiert von den Szenen vor dem kenianischen Parlament", hieß es in einer Erklärung der Botschaften von insgesamt 13 Staaten, darunter Deutschland, die Niederlande, Großbritannien und die USA.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, forderte Zurückhaltung von Polizei und Sicherheitskräften in Kenia. Er appellierte an die Demonstranten, friedlich zu protestieren, sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric. "Es ist sehr wichtig, dass die Rechte der Menschen, friedlich zu demonstrieren, gewahrt werden."
Zwei Tote bei vergangenem Protest
Bereits in den vergangenen Tagen hatte es Proteste gegeben, bei denen zwei Menschen getötet worden waren. Zivilgesellschaftliche Gruppen teilten mit, es würden Mitglieder von Protestgruppen vermisst, die im Vorfeld der Demonstrationen aus ihren Häusern und Arbeitsstätten mitgenommen worden seien. Parlamentspräsident Moses Wetangula wies den Generalinspekteur der Polizei an, Informationen zu Personen zur Verfügung zu stellen, die laut Opposition von der Polizei verschleppt wurden.
Kenias Präsident Ruto ist insbesondere bei jungen Kenianerinnen und Kenianern unbeliebt. Die neuen Steuern haben aber auch viele von Rutos einstigen Wählerinnen und Wählern verärgert. Durch die hohe Inflation in dem ostafrikanischen Land ist die ohnehin kleine Mittelschicht nochmals geschrumpft. Viele leben in Kenia nach wie vor in Armut.