Kakaoproduktion in Ghana Auf dem Rücken der Kinder
Viele Schoko-Nikoläuse haben einen bitteren Beigeschmack: Noch immer arbeiten in Ghana und der Elfenbeinküste 1,6 Millionen Minderjährige in der Kakao-Industrie. Dabei müsste Kinderarbeit laut Studien kein Problem mehr sein.
Kakaobohnen sortieren anstatt die Schulbank zu drücken. So geht es vielen Kindern in Ghana - wie in Juaboso, einer Gemeinde 420 Kilometer von der Hauptstadt Accra entfernt.
Dort arbeitet Kofi - er schneidet Kakaoschoten auf. Seinen richtigen Namen möchte er nicht nennen. Der Zehnjährige möchte zur Schule gehen, sagt er. Aber er könne nicht, er müsse auf Kakaoplantagen arbeiten.
Schwere körperliche Arbeit
"Es ist eine sehr schwierige Arbeit, aber ich mache sie, um meine Mutter zu unterstützen", erzählt Kofi. "Manchmal schneide ich mich und hole mir alle möglichen anderen Verletzungen. Ich glaube nicht, dass ich mal irgendwas erreichen werde." Die Kakaoarbeit habe ihm sein Leben genommen.
In unmittelbarer Nähe trägt ein Zwölfjähriger einen schweren Sack, gefüllt mit Kakaobohnen. Er sei noch nie in der Schule gewesen, erzählt er. Die Arbeit tue ihm nicht gut. "Ich bin so erschöpft, dass ich nachts nicht einmal mehr einschlafen kann", erzählt der Junge. "Ich glaube nicht, dass ich mit dieser Arbeit eine gute Zukunft habe."
Kinderarbeit hat zugenommen
Laut Studien der vergangenen Jahre arbeiten rund 1,6 Millionen Kinder zwischen fünf und 17 Jahren in der Kakaoproduktion in Ghana und der Elfenbeinküste - 43 Prozent von ihnen unter besonderen Gefahren. Sie arbeiten zum Beispiel nachts, mit scharfen Werkzeugen oder sie sind Pestiziden ausgesetzt.
Die Bilanz der Studien ist bitter: Der Gesamtanteil der Kinderarbeit hat demnach in den letzten zehn Jahren sogar zugenommen - parallel zur gestiegenen Kakaoproduktion.
Fiifi Boafo ist vom “Ghana Cocoa Board”, einer staatlichen Organisation, die versucht, Kakaobauern vor zu niedrigen Preisen zu schützen. Denn die seien Teil des Problems. Nichtsdestotrotz ist er für eine lückenlose Strafverfolgung. Seine Organisation arbeite eng mit den Sicherheitsbehörden zusammen.
“Als Kakaobauer sollst du keine Kinder auf deinen Plantagen einsetzen, denn wenn du das tust, brichst du das Gesetz", sagt Boafo. Das mache Ghana seit Jahren in zahlreichen Sensibilisierungskampagnen klar. "Kakaobauern, die Kinder arbeiten lassen, wissen, dass sie kriminell handeln", so der Experte.
Gesetze gegen die Ausbeutung von Kindern
Es gibt Gesetze, die Kinder in Ghana vor Ausbeutung im Kakaosektor schützen sollen, aber es hapert an der Überwachung und Durchsetzung. Kritiker sagen, die Verfolgung führe nur dazu, dass die Kinder versteckt werden. Dadurch werde die Arbeit für sie noch gefährlicher.
Die Kakaobauern wiederum klagen, das Problem seien die niedrigen Preise. Nach Angaben der Fairtrade Foundation entfallen auf Ghana und die Elfenbeinküste 60 Prozent der weltweiten Kakaoproduktion. Aber ihre Bauern verdienen weniger als sechs Prozent der weltweiten Gesamteinnahmen der Schokoladenindustrie - also gerade einmal ein Zehntel.
Kakaobauern beklagen zu wenig Unterstützung
Kakaobauer Joseph Addo sagt, viele Bauern hätten schlicht und einfach kein Geld, um erwachsene Erntehelfer anzustellen. Das sei ein altes Problem. “Wir wollen unsere Kinder gar nicht arbeiten lassen. Wir wollen lieber, dass sie zur Schule gehen und dann in die Landwirtschaft gehen", sagt Addo.
Doch Kakaobauern erhielten keine Unterstützung für den Einsatz von Technologie. Deshalb müssten viele auf die Hilfe ihrer Familien zurückgreifen, einschließlich der Kinder. "Es ist bedauerlich”, ergänzt der Landwirt.
Prämie von 400 US-Dollar pro Tonne
Menschenrechtsorganisationen prangern seit Jahren an, dass große Schokoladenhersteller wie Nestlé oder Mars schon längst Kinderarbeit in ihren Lieferketten hätten abschaffen können.
Auch Produktionsländer wie Ghana zeigen mit dem Finger auf die Schokoladenindustrie. Diese versuche seit Jahren, eine eigentlich eingeführte Prämie von rund 400 US-Dollar pro Tonne für die Kakaobauern mit Tricks zu umgehen. Vertreter der Schokoladenbranche behaupten hingegen, es habe bereits deutliche Fortschritte gegeben.
Westafrikanische Länder stellen Ultimatum
Sie hätten beispielsweise dabei geholfen, Schulen zu bauen, sagen die Unternehmen. Auch Studien zeigen, dass dort, wo Hersteller sich dafür einsetzen, Kinderarbeit deutlich reduziert wird. Genau da liegt die Hauptkritik: Die Industrie mit ihren Milliardengewinnen hätte weitaus mehr tun können, um die Situation von Erzeugern zu verbessern - so dass Kinderarbeit schon heute kein Problem mehr sein müsste.
Die westafrikanischen Kakaoriesen Ghana und Elfenbeinküste haben den großen Herstellern aus Europa und Nordamerika nun ein Ultimatum gestellt. Sie drohen damit, Konzerne zu bestrafen, indem sie ihnen verbieten, Plantagen zu besuchen, um Ernten abzuschätzen - ein wichtiger Indikator für die Vorhersage von Kakaopreisen.
Aber ob die westafrikanischen Kakaoländer ihre Drohungen auch wahr machen würden, ist ungewiss. Immerhin ist Europa ihr größter Absatzmarkt. Bislang wird der Streit weiter buchstäblich auf dem Rücken der Kinder ausgetragen.