Tunesischer Präsident Saied weitet Machtbefugnisse aus
Tunesiens Präsident Saied wird deutlich mehr Machtbefugnisse erhalten. Er werde künftig per Dekret regieren, ließ er verkünden. Im Juli hatte er das Parlament suspendiert und das Land in eine Krise gestürzt.
Im nordafrikanischen Tunesien spitzt sich die politische Krise weiter zu. Fast zwei Monate nach der Entmachtung der Regierung und des Parlaments hat Präsident Kais Saied seine eigenen Machtbefugnisse ausgeweitet. Saied ließ verkünden, dass er zukünftig per Dekret regieren werde - praktisch ohne weitere Kontrolle oder Einflussnahme eines Parlaments oder einer Regierung.
In mehreren Dekreten, die im tunesischen Amtsblatt veröffentlicht wurden, gab sich Saied selbst das Recht, Gesetze zu erlassen und die Regierungsgeschäfte "mit der Hilfe" eines Kabinetts und eines Regierungschefs zu führen. Im Juli hatte er mithilfe eines Notstandsartikels der Verfassung den Regierungschef Hichem Mechichi abgesetzt, die Arbeit des Parlaments ausgesetzt und die Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Das hatte das Land in eine Verfassungskrise gestürzt.
Proteste in Tunis
Mit dem Schritt setzte Präsident Saied nun quasi Teile der neuen Verfassung aus, die nach der Revolution und dem Sturz von Langzeit-Machthaber Ben Ali 2011 erarbeitet worden war. Die islamistisch geprägte Ennahdha-Partei warf ihm einen "Putsch" vor.
Zuvor hatte Saied in einer Rede noch die Ernennung eines neuen Ministerpräsidenten versprochen. Die Notstandsgesetzgebung bliebe aber in Kraft, sagte der Staatschef in einer im Fernsehen übertragenen Rede aus der Stadt. Am vergangenen Wochenende waren Hunderte Menschen in der Hauptstadt Tunis gegen Saied auf die Straße gegangen.
Ausgangsland des Arabischen Frühlings 2011
Vor zwei Monaten hatte der Präsident die Regierungsgeschäfte an sich gerissen. Er entließ den Regierungschef Hichem Mechichi sowie weitere ranghohe Regierungsbeamte und schickte das Parlament in eine 30-tägige Auszeit. Allerdings hatte er damals zugesagt, einen neuen Regierungschef innerhalb der 30-tägigen Frist zu ernennen. In seiner Ansprache erklärte Saied erneut, dass sein Handeln im Einklang mit der Verfassung stehe.
Tunesien gilt als Ausgangsland des Arabischen Frühlings und als einziger Staat, der den politischen Umbruch hin zu einer Demokratie geschafft hat. Allerdings ist das Land politisch instabil: Seit der Revolution 2011 gab es in Tunesien neun Regierungen, das Parlament galt als zersplittert und handlungsunfähig.