Anrainertreffen in Brasilien Ernüchterung auf Amazonas-Gipfel
Die Amazonas-Staaten wollten auf ihrem Gipfel in Brasilien eine Verpflichtung für den größten Regenwald der Erde erarbeiten. Doch zentrale Punkte fehlen in der Erklärung. Stattdessen gibt es nur Lippenbekenntnisse.
"Mit diesem Gipfel erwacht ein neuer Amazonas-Traum für die Region und für die Welt" - es waren hehre Worte und große Visionen, mit denen Gastgeber Luiz Inácio Lula da Silva das Treffen der Amazonas-Staaten eröffnete.
Der Amazonas wird so sein, wie wir es wollen. Ein Amazonas mit grüneren Städten, reineren Flüssen ohne Quecksilber und noch intaktem Urwald
Die Zusammenkunft markiert tatsächlich einen Wendepunkt. 14 Jahre waren die Anrainerstaaten nicht mehr zusammengekommen. Nun wollten sie in der Amazonas-Stadt Belém eine gemeinsame Agenda für den größten Regenwald der Erde erarbeiten.
Keine gemeinsame Verpflichtung
Die Zeit dränge, sagte Brasiliens Präsident mit Blick auf die Verschärfung der Klimakrise. Die Amazonas-Staaten sollten auf dem Klimagipfel endlich mit einer geeinten Agenda auftreten, so die Hoffnung. "Es war noch nie so dringend, die Zusammenarbeit wieder aufzunehmen und auszubauen. Die Herausforderungen unserer Zeit, und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, erfordern gemeinsames Handeln."
Mehr Zusammenarbeit, eine Art regionales Klimapanel, dazu das Bekenntnis, die Rechte indigener Völker zu schützen - doch die zentralen Punkte fehlen im Abschlussdokument: So gibt es keine gemeinsame Verpflichtung zum Abholzungsstopp, wie es sich Brasilien erhofft hatte. Lula selbst - er hatte null Abholzung bis 2030 versprochen - konnte gerade vermelden, dass die Rodungen um mehr als 40 Prozent reduziert wurden und hoffte nun, die Nachbarländer zu ähnlichen Verpflichtungen bewegen zu können.
Petros Seitenhieb gegen Lula
Doch daraus wurde nichts: stattdessen Lippenbekenntnisse. Die Festsetzung konkreter Abholzungsziele bleibt jedem Land selbst überlassen. Noch weniger einigte man sich auf eine Drosselung der Förderung von Kohle, Öl und Gas im Amazonasgebiet, die Kolumbiens Präsident Gustavo Petro gefordert hatte. Es ist eines der konfliktreichsten Themen, hängen die Wirtschaften vieler Anrainer doch an den Petro-Dollar.
"Vor allem für die progressiven Regierungen ist das ein schwieriger ethischer Konflikt. Und da beobachten wir dann eine andere Art des Negationismus, nämlich der, das Entscheidungen aufgeschoben werden", klagte Petro. Das war ein Seitenhieb auch Richtung seines Amtskollegen Lula. Denn in dessen eigener Koalition wird doch gerade um ein umstrittenes Offshore-Förderprojekt nahe der Amazonas-Mündung gerungen, dem Lula zumindest anfangs nicht ablehnend gegenüberstand.
"Sitzen nicht mit am Tisch der Präsidenten"
Es wurde deutlich, wie weit die acht Nachbarstaaten bei ihrem Engagement, die eigenen Wälder zu schützen, auseinanderliegen. Kritik daran kam dann auch vor allem von der Straße, wo seit dem Wochenende mehr als 25.000 Vertreter indigener Gemeinden, traditionelle Flußbewohner und Aktivisten zusammengekommen waren.
"Dieses Bild zeigt alles. Bei so wichtigen Entscheidungen, die unser Leben und unsere Territorien betreffen, sitzen wir nicht mit am Tisch der Präsidenten", sagte die bekannte indigene Anführerin Alessandra Munduruku vor dem Gipfel-Hangar. "Die Länder, die Brasilien Geld geben, müssen darauf drängen, dass unsere Territorien geschützt werden." Denn es sei nicht der Gouverneur, es sei nicht der Präsident, der den Amazonas retten wird. "Wir sind es, die wir den Wald jeden Tag an vorderster Front verteidigen müssen."
Das von Lula versprochene Vorher und Nachher markiert die Gipfel-Erklärung von Belém nicht. Allein die Tatsache, dass der Amazonas-Gipfel stattfinden konnte, gilt vielen Beobachtern dennoch als Erfolg. Deutlich wurde in Belém vor allem, dass auch in Südamerika der Druck der Zivilbevölkerung wächst.