Der designierte kanadische Regierungschef Mark Carney
Porträt

Kanadas neuer Premier Carney Ein Staatsdiener mit Anti-Trump-Haltung

Stand: 14.03.2025 01:54 Uhr

Mitten im Zollstreit mit den USA wurde Mark Carney heute als kanadischer Premier vereidigt. Noch sucht der frühere Investmentbanker seine Rolle als Politiker. Dabei wird er schon bald auch Wähler überzeugen müssen.

Mit einem Schutzhelm auf dem Kopf und in orangefarbener Arbeitskleidung läuft Mark Carney durch ein Stahlwerk in Hamilton in der kanadischen Provinz Ontario. Vor Ort tauscht er sich mit den besorgten Mitarbeitern über die neuen US-Strafzölle auf Stahl- und Aluminium-Produkte aus. Und versichert, dass sein Team bereits an einem gemeinsamen und umfassenderen Ansatz für den Handel mit den Amerikanern arbeite.

Der  designierte kanadische Regierungschef Mark Carney in Hamilton

Neue Rolle mit Helm und orangefarbener Arbeitskleidung: der designierte kanadische Regierungschef Mark Carney bei einem Besuch in einem Stahlwerk.

Carneys neue Rolle

Carney muss sich in seine neue Rolle als Politiker einfinden. Der ehemalige Bankenmanager wurde noch nie vorher in ein politisches Amt gewählt. Leute bei öffentlichen Auftritten mitzureißen, Händeschütteln und Interviews geben gelten nicht als seine Stärken.

Das lerne er jetzt gerade erst, sagt Alex Marland, Politologe an der Acadia Univeristy im kanadischen Nova Scotia: "Er ist eher ein Staatsdiener und Bürokrat als ein natürlicher Politiker. Er ist jemand der über Dinge nachdenkt und Informationen analysiert - er ist ein Ökonom."

Karriere erarbeitet

Den Weg zu den Spitzenposten in der Wirtschaft hat sich der vierfache Familienvater erarbeitet. Als Sohn von Lehrern konnte er dank eines staatlichen Stipendiums an der Elite-Uni Harvard studieren. Später promovierte er sogar in Oxford. Bei Goldman Sachs, einer der größten Investmentbanken der Welt, war er Jahre lang in verschiedenen Positionen tätig - an Standorten wie Toronto, New York, London oder Tokio.

2008 wurde er dann Chef der kanadischen Zentralbank - mitten in der Finanzkrise. Die bewältigte er so gut, dass er anschließend als erster Ausländer überhaupt Chef der Bank of England wurde und Großbritannien durch turbulente Brexit-Jahre navigierte.

Die nächste Krise

Als neuer Premierminister von Kanada muss Carney nun die nächste Krise in den Griff kriegen: "Es gibt jemanden, der unsere Wirtschaft schwächen will: Donald Trump! Er hat ungerechtfertigte Strafzölle gegen uns erhoben. Er greift kanadische Familien, Arbeiter und Unternehmen an - und wir können ihn nicht gewinnen lassen."

Die Anti-Trump-Haltung der Liberalen Partei kommt bei den Kanadiern aktuell gut an. Innerhalb weniger Wochen konnten sie so einen riesigen Umfrage-Rückstand zu den Konservativen aufholen.

Carneys Schwächen

Ob dieser Erfolg auch mit Carney und seinem neuen Amt als Chef der Liberalen zusammenhängt, lässt sich noch nicht wirklich beurteilen, sagt Politologe Marland, der auch Schwächen bei Carney sieht: "Als Premierminister von Kanada muss man sehr gut Französisch sprechen. Sein Französisch ist zwar okay, aber seine Hauptgegner sprechen besser."

Und diesen Hauptgegnern wird sich Carney schon sehr bald stellen müssen. Denn bis spätestens Herbst muss in Kanada neu gewählt werden. Vermutlich wird Carney die Neuwahlen sogar schon vorziehen - um den aktuellen Aufwärtstrend für die Liberalen für sich zu nutzen. Carney, der bisher nur von Parteimitgliedern ins Amt gewählt wurde, muss dann erstmals auch die Wählerinnen und Wähler von sich überzeugen.

Die Hoffnung der Liberalen

Marland kann nur spekulieren, ob ihm das gelingen wird. "Wir wissen nicht einmal, in welchem Teil des Landes er sich zur Wahl aufstellen lassen würde. Andererseits kann ihm der Status als Polit-Neuling auch nützen. Viele Menschen suchen neue, frische Kandidaten und die Liberalen setzen offensichtlich all ihre Hoffnungen in ihn."

Der vermutlich kurze Wahlkampf wird sicher nicht einfach für Carney. Schon jetzt wirft man ihm vor, auf undemokratische Weise - ohne politisches Mandat - an sein neues Amt gekommen zu sein. Als Teil der Wirtschaftselite habe er außerdem schon lange den Bezug zu normalen Kanadiern verloren, sagen Politiker aus der Opposition. Carney muss seinen potenziellen Wählern im Wahlkampf jetzt das Gegenteil beweisen. Sollte er nicht gewinnen, wird er wohl als der am kürzesten amtierende Premierminister Kanadas in die Geschichte eingehen.

Giselle Ucar, ARD New York, zzt. Kanada, tagesschau, 13.03.2025 23:31 Uhr