Costa Rica Trolle im Auftrag der Regierung?
Regierungsmitglieder in Costa Rica sollen Trolle bezahlt haben, die ihre Arbeit loben und gegen Kritiker Stimmung machen. Präsident Chaves sieht darin offenbar kein großes Problem - und greift stattdessen die Presse an.
Den Stein ins Rollen brachte die Ministerin selbst. Joselyn Chacón, Chefin des schwergewichtigen Gesundheits- und Sozialministeriums, machte Mitte Dezember öffentlich, dass sie erpresst werde - von einem Internet-Troll. Dieser Troll, bekannt unter dem Pseudonym "Piero Calandrelli", kam daraufhin aus der Deckung. Gegenüber "La Nación", der größten Tageszeitung des Landes, berichtete er, er habe für den Wahlkampf von Präsident Rodrigo Chaves gearbeitet und Geld von der Ministerin erhalten, um kritische Journalistinnen und Journalisten in den sozialen Netzen anzugehen.
Kurz vor dem Jahreswechsel, in der Hauptferienzeit, gab Chacón dann zu, sehr wohl Geld an den Troll gezahlt zu haben, weil sie einem Betrüger auf den Leim gegangen sei: "Ich habe einen Fehler gemacht", sagte sie. "Ich habe jemandem vertraut, der mir vorlog, seine Tochter sei bei einem Unfall gestorben, dass er alleinerziehend sei und seine drei Töchter Hunger litten."
Bezahlte Trolle und eine mehr als peinliche Ausrede: Der erste Skandal des Jahres 2023 war perfekt.
"Ein Element, das hinterfragt werden muss"
"Besonders wird der Fall dadurch, dass die gesamte Wahlkampagne des aktuellen Präsidenten von nachgewiesener, illegaler Parteienfinanzierung geprägt war", sagt Daniela Muñoz, Feministin, soziale Aktivistin und Medienschaffende. "Und da sind die Trolle natürlich ein Element, das näher hinterfragt werden muss."
Mittlerweile haben sich weitere Trolle geoutet. Und bezahlte Trolle, also Personen, die im Auftrag zum Beispiel von Unternehmen, Parteien oder Regierungen Falschmeldungen verbreiten oder andere Menschen diskreditieren, geb es auch in Costa Rica schon länger, betont der Journalist Joaquín Tapia:
Schon der ehemalige Präsidentschaftskandidat Johnny Araya hatte ein Budget für Trolle, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Auch im vergangenen Wahlkampf wurden Trolle offenbar massiv eingesetzt.
Parlamentarischer Untersuchungsausschuss
Die Regierung von Präsident Chaves, seit Mai letzten Jahres im Amt, fährt einen aggressiv populistischen Kurs. Gewonnen hatte der ehemalige Weltbankfunktionär die Wahlen als Quereinsteiger und Kandidat einer erst 2018 gegründeten Partei - mit einer gewaltigen und teuren Kampagne, deren Finanzierung heute die Staatsanwaltschaft und einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss interessiert.
Doch ob Trolle oder Parteispenden, der Präsident stellt sich vor seine Gesundheitsministerin, greift die Presse stattdessen frontal an und bezeichnet sie als "sicarios" - so werden in Lateinamerika Auftragsmörder genannt. "Es gibt Journalisten die sind politische 'sicarios' - Leute, die die Ministerin völlig ohne Grund attackieren", wetterte Chaves. "Politischer Rufmord ist seit langem ein Instrument einiger Medien in Costa Rica und in der ganzen Welt."
"Linie Trumps und anderer Populisten"
Bei dieser Angriffsstrategie spielen die Trolle dann wieder eine maßgebliche Rolle. Scheinbar als einfache Bürgerinnen und Bürger begleiten sie die Attacken der Regierung und haben laut Muñoz durchaus Erfolg damit. "Die Angriffe auf die Presse folgen der Linie Donald Trumps und anderer Populisten: diejenigen zu diskreditieren, die dich hinterfragen", erklärt sie.
Journalisten, die Korruptionsfälle recherchierten, würden nun als Teil einer "Schurkenpresse" gesehen, sagt Muñoz. "Und die Kampagne in den sozialen Netzwerken, die die Trolle betreiben, haben in Teilen der Bevölkerung diese Denkweise durchaus verankert." Selbst bei großen Skandalen und Korruptionsfällen glaubten viele Menschen der Regierung und nicht den Journalisten: "Und das ist gefährlich."
Popularität durch Schar von Trollen?
Politisch ist das bislang erfolgreich. Fast 75 Prozent Zustimmungsrate erzielt der Präsident in Umfragen. Auch in Costa Rica tun sich Opposition, Presse und Zivilgesellschaft schwer, mit aggressivem Populismus und Trollen umzugehen.
Der Oppositionsabgeordnete Eli Feinzaig fragte im Untersuchungsausschuss vor einigen Tagen den Troll "Piero Calandrelli", der im richtigen Leben Alberto Jesús Vargas heißt, welche Auswirkungen die Trolle auf die Demokratie in Costa Rica hätten. "Die Regierung sagt, Präsident Chaves brauche keine Trolle, er genieße ja gewaltige Popularität." Er wolle verstehen, ob Chavez diese Popularität "nicht vielleicht durch eine Schar von Trollen erlangt hat, die die Philosophie und die Ideen seiner Regierung permanent unters Volk bringt".
Bezahlte Trolle, die ein entscheidender Faktor für den knappen Wahlsieg des heutigen Präsidenten gewesen sein könnten.