Anti-Satelliten-Raketen Wenn der Krieg den Weltraum erreicht
Satelliten sind wertvolle Werkzeuge im Krieg und daher auch militärische Ziele. Die USA haben nun andere Staaten dazu aufgerufen, keine Anti-Satelliten-Raketen mehr zu testen - und warnen vor den Schäden.
Noch kann man sich bewerben. Der Bundesnachrichtendienst (BND) sucht gerade dringend "Satelliten- und Luftbildauswerter". Man sollte Geowissenschaften studiert haben, über gute Englischkenntnisse verfügen und eine "ausgeprägte Fähigkeit zum konzeptionellen und analytischen Arbeiten" haben, heißt es in der Stellenausschreibung. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis Ende Juni.
Satelliten sind ein wichtiges Werkzeug für Geheimdienste und Militärs. Sie dienen nicht nur der Kommunikation, sie liefern durch teils hochauflösende Aufnahmen aus dem All auch wertvolle Informationen - in Friedenszeiten und ganz besonders in Zeiten des Krieges, wie aktuell in der Ukraine. Mithilfe von Satelliten werden beispielsweise die russischen Truppenbewegungen verfolgt, die eingesetzten Waffensysteme analysiert und sogar Hinweise auf Kriegsverbrechen gesammelt.
Wachsende Bedeutung
Die "fliegenden Augen" in der Erdumlaufbahn sind daher auch potenzielle militärische Ziele. Mehrere Staaten, darunter die USA, zuletzt China, Indien und Russland, haben Raketen entwickelt, mit denen gegnerische Satelliten zerstört werden können. Umso erstaunlicher war die Ankündigung der US-Vize-Präsidentin Kamala Harris vom 18. April.
Bei einem Besuch der Vandenberg Space Force Base, einer US-Luftwaffenbasis an der kalifornischen Küste, sprach Harris am Ostermontag über die wachsende Bedeutung des Weltraums und der Satellitenaufklärung.
Harris versprach überraschend: "Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass sich die Vereinigten Staaten ab heute verpflichten, keine destruktiven Anti-Satelliten-Raketentests durchzuführen." Solche Tests seien "gefährlich, leichtsinnig und unverantwortlich", so die Vize-Präsidentin, sie würden "so viel von dem, was wir im Weltraum tun", gefährden.
China und Russland führten Tests durch
Im Jahr 2007 hatte China mit einer Rakete testweise einen Satelliten zerstört, im November 2021 dann führte Russland ebenfalls einen solchen Test durch. Dabei zerstörte das russische Raketen-System PL-19 Nudol, das von der Erde abgeschossen wurde, den rund 2,2 Tonnen schweren Satelliten Cosmos-1408 in etwa 480 Kilometern Höhe.
Nach Angaben der US-Behörden sollen in beiden Fällen zahllose Wrackteile entstanden sein, die sich bis heute in der Erdumlaufbahn bewegen. Mehr als 1600 Teile sollen es aufgrund des russischen Tests sein, und auch vom chinesischen Test vor 15 Jahren seien noch immer rund 2800 Teile vorhanden.
Weltraumschrott birgt Risiken
Dieser Weltraumschrott stellt eine erhebliche Gefahr für Satelliten, andere Flugobjekte und sogar für die Internationale Raumstation (ISS) dar. Schon Wrackteile von wenigen Zentimetern Größe können nach Meinung von Experten große Schäden anrichten, wenn sie mit hoher Geschwindigkeit auf andere Objekte treffen. Hinzu kommt, dass solche Trümmerteile, die sich durch Aufprall sogar noch vervielfältigen können, teilweise Monate, Jahre oder gar Jahrzehnte in der Umlaufbahn verbleiben.
Im vergangenen November, als Russland seinen Anti-Satelliten-Rakete getestet hat, wurde die Internationale Raumstation in Alarmbereitschaft versetzt. Ein US-amerikanischer Astronaut mussten sich sogar zeitweise in eine Rettungskapsel begeben - für den Fall, dass die Station von Wrackteilen des Satelliten oder der Rakete getroffen wurde.
Seit 1999 musste die Internationale Raumstation laut NASA bereits 29 Mal Manöver durchführen, um Trümmern im Weltraum auszuweichen. Zuletzt war dies 2020 der Fall, als Schrottteile vom chinesischen Anti-Satelliten-Test aus dem Jahr 2007 auf die Station zuflogen.
Zunahme von Satellitensystemen
Insbesondere mit Blick auf die wachsende Zahl von Satelliten, die mittlerweile nicht nur von Staaten, sondern auch von privaten Unternehmen eingesetzt werden, birgt der Weltraumschrott ein folgenschweres Risiko. Zahlreiche Dienstleistungen sind etwa auf GPS-Daten angewiesen.
Der Unternehmer Elon Musk betreibt mit seiner Firma SpaceX das Satellitennetzwerk Starlink, das weltweiten Internetzugang ermöglichen soll, das US-Unternehmen Amazon plant ein ähnliches Netzwerk mit mehr als 3000 eigenen Satelliten .
Auch Windkraftanlagen werden teilweise über Satellitensysteme gesteuert, wie jüngst durch einen Vorfall im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine deutlich wurde: Mutmaßlich russische Hacker griffen zu Beginn des Angriffskrieges das kommerzielle Satellitennetzwerk Ka-Sat 9A der Firma Viasat an, das unter anderem vom ukrainischen Militär und der Polizei genutzt wurde. Die Hacker setzten eine Schadsoftware ein, die Daten zerstörte. Zehntausende Modems verloren so den Kontakt zum Viasat-Netzwerk.
Wohl eher als Kollateralschaden traf es auch Enercon, den größten deutschen Hersteller von Windkraftanlagen. Rund 5800 Windräder des Unternehmens liefen zwar weiter, aber sie konnten nicht mehr online überwacht oder gewartet werden.
Harris fordert internationales Regelwerk zu Verhalten im Weltraum
US-Vizepräsidentin Harris forderte in ihrer Rede auf der Militärbasis in Kalifornien nicht nur andere Staaten auf, zukünftig ebenfalls auf die gefährlichen Anti-Satelliten-Tests zu verzichten. Sie erklärte, die US-Regierung spreche sich grundsätzlich für ein internationales Regelwerk über das Verhalten von Staaten, einen "Code of Conduct", im Weltraum aus.
Seit 1967 gibt es den sogenannten "Weltraumvertrag", der die Tätigkeiten von Staaten und die Erforschung des Weltraums regeln soll. Zudem soll mit dem Abkommen, das inzwischen 110 Staaten unterzeichnet haben, verhindert werden, dass etwa Planeten von bestimmten Ländern besetzt und annektiert werden. Außerdem sollen keine Militärbasen im Weltraum errichtet oder Atomwaffen stationiert werden.
Eine Aktualisierung oder Ergänzung des Vertrages, beispielsweise um einen Passus, der den Einsatz von Anti-Satelliten-Waffen untersagt, erfolgte allerdings bisher nicht. Und auch eine Initiative der Europäischen Union für Verhaltensregeln im Weltraum wurde nicht weiter verfolgt.