Drogenkonsumenten hantieren in einem Hauseingang im Bahnhofsviertel mit Drogen.

Beimischung in Drogen Wenn das Heroin knapp wird

Stand: 14.03.2025 16:00 Uhr

Die Droge Heroin wird knapper und immer öfter gestreckt, warnt das Bundeskriminalamt. Zunehmend werden demnach hochgefährliche Stoffe wie Fentanyl und Nitazen beigemischt.

Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt für seine Drogenszene. Seit Jahrzehnten werden hier harte Drogen wie Heroin oder Crack teils auf offener Straße konsumiert. In der Niddastraße befindet sich ein Drogenkonsumraum, in dem Süchtigen geholfen wird, etwa mit hygienischem Material wie sauberen Spritzen. Außerdem gibt es Suchtberatung.

Vor wenigen Wochen machten die Mitarbeiter der Drogenhilfe in der Niddastraße eine beunruhigende Entdeckung. "Bei Schnelltests von Heroinproben Ende Januar wurde zum ersten Mal in Frankfurt überhaupt das synthetisch hergestellte Opioid Fentanyl als Beimischung im Straßenheroin festgestellt", sagt Oliver Müller-Maar, stellvertretender Leiter des Frankfurter Drogenreferats. "Von 37 Schnelltests waren 21 positiv." Die Bild-Zeitung hat hierüber zuerst berichtet.

Viel stärker als Heroin

Fentanyl sorgt seit Jahren weltweit für Schlagzeilen. Das synthetische Opioid ist eine sehr viel stärkere Droge als Heroin, teilweise 80-fach höhere Wirkung als Morphin. Schon winzige Mengen, so groß wie Salzkörner, können tödlich sein. In den USA und in Teilen von Kanada ist die Zahl der Süchtigen innerhalb weniger Jahre nahezu explodiert. 2023 starben in den USA laut Drogenbehörde DEA rund 107.000 Menschen nach Drogenkonsum, mehr als 70 Prozent an einer Überdosis Fentanyl oder anderer Opiode. 

Die chemischen Grundstoffe für Fentanyl, das oftmals als "Zombiedroge" bezeichnet wird, stammen überwiegend aus China und werden von mexikanischen Drogenkartellen auf den US-amerikanischen Markt geschwemmt. Die Droge ist längst zu einem Politikum geworden: Die US-Regierung fordert Peking seit Jahren auf, den Handel mit den Grundstoffen zu stoppen, die Trump-Administration führt den Fentanyl-Schmuggel sogar als Grund für Zölle gegen Kanada an.

In Deutschland spielt Fentanyl bislang auf dem Drogenmarkt eine eher untergeordnete Rolle. Zwar werden Fentanyl-Pflaster, die zur medizinischen Schmerzlinderung eingesetzt werden, Berichten zufolge auch von Drogensüchtigen benutzt, die sie teilweise aus Krankenhaus-Müllcontainern stehlen und auskochen, aber dass hierzulande Fentanyl in Pulverform als Droge gehandelt wird, war kaum bekannt.

Verknappung des in Europa verfügbaren Heroins

Nun aber gibt es erste Anzeichen für eine Verknappung des in Europa verfügbaren Heroins - und damit steigt die Gefahr, dass Heroin stärker gestreckt wird. Auch mit hochgefährlichen Substanzen wie Fentanyl oder Nitazene, die teilweise eine 100-fach stärkere Wirkung als Heroin haben.

Afghanistan galt lange als das Hauptanbaugebiet für Schlafmohn, aus dem Heroin gewonnen wird. Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 geht die Heroin-Produktion allerdings zurück, denn die Islamisten bekämpfen aus religiösen Gründen verstärkt den Anbau und Handel. Zwar soll es mittlerweile Ausweichregionen für den Mohnabau geben, etwa in Myanmar und Pakistan, die neue Lage in Afghanistan macht sich aber dennoch auf dem Weltmarkt bemerkbar.

"Im Jahr 2023 sank der Heroin-Reinheitsgehalt auf allen Handelsebenen und lag bei den niedrigsten Werten seit 2014", teilte eine Sprecherin des Bundeskriminalamtes (BKA) mit. "Insofern muss davon ausgegangen werden, dass tatsächlich weniger Heroin gehandelt und dieses vor dem Erreichen der Konsumenten stärker gestreckt wird als in früheren Jahren."

Nach WDR-Informationen haben europäische Polizeibehörden bereits im vergangenen Jahr eine Preissteigerung bei Großmengen von Heroin festgestellt, die oftmals über Zentralasien, die Türkei und den Balkan nach Deutschland gelangen. Dies wird als Anzeichen dafür gewertet, dass die bei Zwischenhändlern eingelagerten Mengen zurückgehen. Zuletzt stellte der Zoll jedoch im Januar im Hafen von Lübeck-Travemünde noch eine Rekordmenge von 450 Kilogramm Heroin, versteckt in 11.000 Spraydosen, fest.

Zunahme von Nitazenen in gestrecktem Heroin

Neben Fentanyl sind die Sicherheitsbehörden insbesondere besorgt über eine Zunahme von Nitazenen in gestrecktem Heroin. Diese Stoffe zählen ebenfalls zu den synthetischen Opioiden, wurden in den 1950er-Jahren entwickelt und haben eine sehr viel stärkere Wirkung als Heroin. Viele Überdosierungen enden daher tödlich. Anders als bei Heroin ist bei einer Überdosis mit Nitazenen das Gegenmittel Naloxon weniger wirksam. Bezogen werden die Stoffe wohl unter anderem über Onlineshops in China.

Laut der Europäische Drogenagentur (EUDA) sind in europäischen Staaten bereits 2023 rund 150 Personen nach dem Konsum von Nitazenen ums Leben gekommen. Es seien vielfach Beimischungen der Stoffe in Heroin und anderen Straßendrogen festgestellt worden. 

In Deutschland tauchten Nitazene zuletzt in Bremen auf. Dort waren im Dezember und Januar in einem Drogenkonsumraum mehrere Schnelltests positiv ausgefallen. Das Bremer Gesundheitsamt warnte daraufhin öffentlich vor gestrecktem Heroin. Die Fachleute vermuten, dass die synthetischen Beimischungen noch verbreiteter sind, aber aufgrund von Testdefiziten nicht festgestellt werden.

"Vor dem Hintergrund der Heroinkrise, also der Verknappung von Heroin auf dem Schwarzmarkt, sehen wir die Gefahr, dass synthetische Opioide vermehrt dem Straßenheroin beigemischt werden", warnt Oliver Müller-Maar vom Frankfurter Drogendezernat. "Dieses Risiko können wir nicht einschätzen und wappnen uns deshalb vor Fentanyl und anderen synthetischen Opioiden." Die Stadt Frankfurt am Main veranstalte am 18. Juni eine internationale Fachtagung zur Herausforderungen der synthetischen Opoide.

Nach Angaben des Bundesdrogenbeauftragten gab es im Jahr 2023 insgesamt 2.227 Drogentote in Deutschland - ein neuer Höchststand seit der Erfassung der Zahlen. In 712 Fällen spielte Heroin offenbar eine Rolle.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 14. März 2025 um 15:37 Uhr.