Diaz-Canel auf einer internationalen Konferenz in Havana (Kuba)

Kubas Präsident Ratlos, aber auf Linie

Stand: 19.04.2023 12:41 Uhr

Kubas Parlament wählt heute einen neuen Präsidenten, und niemand bezweifelt, dass Staats- und Parteichef Díaz-Canel im Amt bestätigt wird. Dabei leidet das Land unter wirtschaftlichen Problemen und wachsender Unzufriedenheit.

In der Schlange stehen, daran sind die Kubanerinnen und Kubaner gewöhnt - das hat sich auch mit Präsident Miguel Díaz-Canel nicht geändert, ganz gleich, ob es um Lebensmittel, Hygieneprodukte oder Benzin geht. Derzeit müssen sie teils stundenlang warten, um ihren Tank zu füllen.

Die Lieferungen aus dem Ausland seien ausgeblieben, erklärte Präsident Díaz-Canel im Staatsfernsehen. Mit Ineffizienz der staatlichen Institutionen habe die Lage nichts zu tun, betonte er.

Seit fünf Jahren ist er nun im Amt. Seine erste Amtszeit sei von der wirtschaftlichen Krise geprägt gewesen, erklärt der kubanische Wirtschaftswissenschaftler Omar Everleny. Zwei Jahre habe das Land unter der Pandemie gelitten. Und zugleich habe es nach wie vor mit den 243 Sanktionen der vormaligen US-Regierung unter Donald Trump zu kämpfen, die sein Nachfolger Joe Biden kaum gelockert habe.  

Farblos - und auf Linie der Partei

Díaz-Canel gilt als farblos, ohne Charisma, er wurde von seinem Vorgänger Raúl Castro in die Führung gehievt, weil er als linientreuer Kader galt. Jahrelang wurde er dafür aufgebaut. Im Jahr 2018 rückte Díaz-Canel an die Staatsspitze vor und übernahm drei Jahre später auch die Führung der kommunistischen Partei. Er war damit der erste Machthaber Kubas seit der Revolution von 1959, der nicht Castro heißt.

Damit wurde zwar ein Generationenwechsel vollzogen, doch der 62-Jährige wird selbst nicht müde zu betonen, dass er für Kontinuität stehe, für die Revolution, auch wenn er sie selbst nicht erlebt hat.

Aus dieser Rolle habe er sich nicht befreien können oder wollen, erklärt der Lateinamerika-Experte Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Díaz-Canel hätte sich durchaus Spielraum verschaffen können. "Aber die schwierige wirtschaftliche Lage hat natürlich das Hauptaugenmerk darauf gelegt, was immer die Maxime des Regimes war - eine Einheit der politischen Elite zu sichern, nur keine inneren Spannungen nach außen sichtbar werden zu lassen und dafür zu sorgen, dass es nicht zu Unmutsäußerungen in der Bevölkerung kommt."  

Raul Castro (r) hebt die Hand von Miguel Diaz-Canel (l).

Von der Castro-Familie nach vorne geschoben: 2018 wurde Díaz-Canel Staatspräsident, die Partei übernahm er später.

In der Krise falsch gehandelt

Angesichts der Versorgungsknappheit kein einfaches Unterfangen. Im Sommer 2021 trieb vor allem der große Unmut über die regelmäßigen Stromausfälle und die Lebensmittelknappheit die Menschen auf die Straße.

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten demonstrierten Kubanerinnen und Kubaner zu Tausenden schicht- und altersübergreifend am 11. Juli und in den Tagen darauf im ganzen Land. Gegen die vorwiegend friedlichen Proteste ging Präsident Díaz-Canel repressiv vor.  

Diese Krise hätte der kubanische Staatschef anders lösen können. Er hätte die Sache auf sich beruhen lassen und die Leute nicht verhaften und unterdrücken sollen, findet Wirtschaftswissenschaftler Everleny.

Die Menschen hätten ein echtes Anliegen gehabt. "Er hätte den Leuten eine kleine Lösung anbieten oder sagen sollen, dass sie daran arbeiten, oder sich mit ihnen treffen sollen. Die Demonstranten hatten ja keine Waffen, keine Bomben, sie wollten niemanden umbringen, sondern hatten Plakate, auf denen Verbesserungen gefordert wurden", betont Everleny.

Repressive Maßnahmen

Hunderte Personen wurden inhaftiert, rund 380 Menschen in der Folge verurteilt, einige bis zu 25 Jahren. Dass junge Menschen wegen ihrer Teilnahme an einer friedlichen Demonstration auch jetzt noch im Gefängnis sind, sei auch international einer der Hauptkritikpunkte an der überzogenen Reaktion von Díaz-Canel, so Everleny.  

Mindestens 300.000 Menschen haben Schätzungen zufolge allein im vergangenen Jahr Kuba verlassen. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung drückte sich auch bei den Parlamentswahlen im vergangenen März aus, die Beteiligung lag bei 76 Prozent. Für Kuba ein schlechtes Ergebnis, durchschnittlich lag die Beteiligung früher bei 90 Prozent.  

 

Politische Öffnung ist ausgeblieben

Eine maßgeblich politische Öffnung ist unter Díaz-Canel ausgeblieben. Er habe jedoch wirtschaftliche Reformen auf den Weg gebracht, so Everleny. Unter anderem dürfen Kubanerinnen und Kubaner nun kleinere und mittlere Unternehmen mit bis zu 100 Angestellten gründen. 

Doch das fehlende Kapital und mangelnder Zugang zu Krediten, das US-Embargo, die Folgen der Corona-Pandemie und der damit einhergehende Einbruch des Tourismus bleiben große Hürden.

Weitere wirtschaftliche Reformen seien zwingend notwendig, betont der kubanische Wirtschaftswissenschaftler. Díaz-Canel müsse zeigen, dass die Wirtschaft vorankomme. Dafür sei eine stärkere Öffnung der Politik nicht unbedingt Voraussetzung. Wenn es sie aber gäbe, sei es um so besser.  

 

Anne Demmer, Anne Demmer, ARD Mexiko, 19.04.2023 11:32 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Kultur am 19. April 2023 um 05:36 Uhr.