Nicaragua Selbst die Kirche wird verfolgt
Katholische Sender waren in Nicaragua die letzten Fluchtorte für regierungskritische Stimmen. Jetzt hat die Regierung Ortegas selbst sie ausgeschaltet. Menschenrechtsaktivisten sehen nur einen Ausweg.
Unerbittlich prügelt die Polizei auf Frauen ein, schubst sie aus einem katholischen Radiosender in Matagalpa nördlich der nicaraguanischen Hauptstadt Managua. Nur eine Szene von vielen vergangene Woche. Die sandinistische Regierung von Daniel Ortega hat neun katholische Radio- und drei katholische Fernsehsender des Landes geschlossen. Sie wirft den Sendern vor, sie ohne Lizenz betrieben zu haben.
Der im Exil lebende Investigativjournalist Carlos Fernando Hierro sieht hinter der Schließung einen anderen Grund: "Eigentlich erleben wir hier ein Attentat auf die Meinungs- und Pressefreiheit", sagt er. Auch die Europäische Union verurteilt die Schließung der Sender als willkürlich.
Die Verfolgung der katholischen Kirche in Nicaragua wird immer extremer. Neben abgeschalteten Medien muss sie nun auch Attacken und Überfälle auf Gottesdienste fürchten. Ein Bischof steht unter Hausarrest.
Vizepräsidentin Rosario Murillo sieht sich im Recht, wirft den Geistlichen Hassverbrechen gegen die Bevölkerung vor.
"Kirche ist Ortega ein Dorn im Auge"
Die Schließungen der kleinen katholischen Lokalmedien stellen den jüngsten Höhepunkt der repressiven Politik des Machthaber-Ehepaars Ortega Murillo dar. Immer enger ziehen sie die Schlinge um Regierungskritiker. Sie werden schikaniert, inhaftiert und getötet.
Bereits 1000 Nichtregierungsorganisationen sind dieses Jahr verboten worden. Es bleibt die Kirche, die seit Jahren die autokratischen Gebaren kritisiert und Verfolgten Schutz bietet, sagt Menschenrechtsaktivistin Martha Patricia Molina.
Die Priester und Bischöfe stellen sich auf die Seite des Volkes. Sie sind von der Kanzel bestiegen, haben die Türen ihrer Kirchen geöffnet und ihre Stimme gegen die Gewalt und für das Ende der Repression erhoben.
Diese Kraft wolle Ortega zerstören, bestätigt die nicaraguanische Menschenrechtsaktivistin Vilma Núñez: "Die einzige prophetische und glaubhafte Stimme, die von 80 bis 90 Prozent der Nicaraguaner akzeptiert wird, ist die Stimme der Kirche. Machthaber Ortegas Ziel ist es, an der Macht zu bleiben, und die Kirche ist ihm dabei ein Dorn im Auge."
"Humanitäre Verhandlungen" statt Sanktionen
Verfolgen, bedrohen, zum Schweigen bringen - das sind die Methoden des Regimes.
Für die Menschenrechtsaktivistin Anna María Méndes Dardón gibt es nur einen Ausweg aus der Diktatur in Nicaragua. "Es müssen diplomatische Korridore geschaffen werden, um die grundsätzlichen Debatten zu führen und die dringenden humanitären Fragen zu klären. Zum Beispiel das Thema der politischen Gefangenen", sagt sie. "Es muss Raum geschaffen werden für humanitäre Verhandlungen in Nicaragua."
Es wäre eine Alternative zu Wirtschaftssanktionen. Denn die träfen nicht nur die autoritäre Regierung, so Mendes, sondern auch die einfache Bevölkerung. Schon jetzt lebt mehr als die Hälfte der Nicaraguaner unter der Armutsgrenze.