Rudy Giuliani Trumps "Fixer" in Not
Die gemeinsame Anklage mit Ex-Präsident Trump markiert für seinen Anwalt Giuliani einen Tiefpunkt. Dabei wendet sich nun ein Gesetz gegen ihn, das einst seinen Aufstieg zum Bürgermeister New Yorks förderte.
Es ist keine Comedy. Es ist ein Auftritt von Donald Trumps früherem Anwalt Rudy Guiliani, der im TV-Sender CBS News die Bundesanwältin im Bundesstaat Georgia nachäfft: "Du kommst für 100 Jahre ins Gefängnis!", zetert der 79-Jährige mit verstellter Stimme, während er eindringlich in die Kamera starrt.
Nichts scheint dem einst gefeierten "Bürgermeister Amerikas" zu peinlich zu sein. Der Mann, der für sein Krisenmanagement als New Yorks Held nach den Anschlägen vom 11. September 2001 bejubelt wurde, hat seinen Ruf längst ruiniert, indem er sich zum Handlager von Ex-Präsident Donald Trump machte. In Georgia steht nun auch seine Freiheit auf dem Spiel.
Giuliani wettert, er werde dafür angeklagt, dass er Trumps Anwalt war. "Ich hätte niemals gedacht, dass ich dafür angeklagt werde, ein Anwalt zu sein. Ich dachte, ich sei geschützt, weil ich sein Verteidiger war. Da muss ich doch in seinem Sinn argumentieren."
Ein Gesetz, das Giuliani zu gut kennt
Tatsächlich steht Giuliani vor Gericht, weil er die falschen Behauptungen des Ex-Präsidenten über die "gestohlene" Wahl 2020 hartnäckig verteidigt hat und dafür selbst Lügen über den Prozess der Stimmenauszählung in einem Wahlzentrum in Atlanta verbreitete.
Der Anklageschrift zufolge behauptete er, dass Wahlhelfer Beobachter weggeschickt und dann illegal bis zu 24.000 Stimmen ausgezählt hätten.
Die Anklage gegen Giuliani basiert ausgerechnet auf einem Gesetz, von dem er selbst als junger Staatsanwalt in New York ausgiebig Gebrauch gemacht hat, erklärt der renommierte Strafverteidiger Ron Kuby dem ARD-Studio New York:
Es ist eine wunderbare und delikate Ironie - im Sinne von: Alles rächt sich irgendwann. Giuliani war die führende Person in diesem Land, die das Gesetz bis zur Grenze ausgedehnt hat - er hat damit Wallstreet-Banker und andere verfolgt.
Damit die dicken Fische nicht entwischen
Das sogenannte Rico-Gesetz ("Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act") wurde 1970 verabschiedet, um gegen das organisierte Verbrechen vorzugehen. Kuby erklärt, damals seien der Polizei in der Regel die Handlager ins Netz gegangen - diejenigen, die Befehle von oben ausgeführt hätten. "Das Rico-Gesetz wurde gemacht, um auch die Bosse zur Verantwortung zu ziehen."
Damit profilierte sich der damalige Staatsanwalt für den südlichen Distrikt von New York: Giuliani machte sich einen Namen als gnadenloser Kämpfer für Law and Order. Sein eigener Vater hatte als Schläger und Erpresser für die Mafia gearbeitet. Sein Sohn wollte sich als harter Knochen eine weiße Weste erkämpfen.
Das tat er mit Erfolg: 1994 wurde er der erste republikanische Bürgermeister von New York seit fast 30 Jahren.
Als harter Ankläger machte sich Giuliani einen Namen und kandidierte dann 1989 als Bürgermeister von New York. Gewählt wurde er aber erst fünf Jahre später
Eine Art Mithaftung
Heute aber finde sich Giuliani in dieser Situation wieder: Wenn man "Teil eines Geschäfts" sei, erläutert Strafverteidiger Kuby die Wirkung des Gesetzes, dann werde man auch für die Verbrechen zur Verantwortung gezogen, die die Geschäftspartner begangen haben. Das sei "das Gute oder für manche der Horror des Rico-Gesetzes".
Genau das könnte Giuliani jetzt zum Verhängnis werden, sagt auch der langjährige Bundesstaatsanwalt Daniel Richman dem ARD-Studio New York. Er sieht es als "tragische Ironie".
Giuliani sei nicht erst in den vergangenen Jahren, sondern schon immer eine kontroverse Figur gewesen, sagt der Jurist an der Columbia Universität. "Aber es gab nicht diese tiefe Verantwortungslosigkeit, die in der Anklageschrift beklagt wird, und die wir jetzt sehen."
"Kann er noch tiefer sinken?"
Jeder frage sich gerade, ob Giuliani noch tiefer sinken könne, stellt auch Strafverteidiger Kuby fest und beantwortet die Frage so: "Ich sage: Nein. Er war immer schon diese Person" - angefangen mit seiner Rolle als Bundesstaatsanwalt, wo er das Gesetz und die Rechte der Verteidigung oft vernachlässigt habe, um eine gute Schlagzeile zu bekommen, über seine rassistische Wahlkampagne bis hin zur Zeit als rigider Bürgermeister von New York.
Nach den Terroranschlägen von 2001 sei Giuliani zwar vor den Augen der ganzen Welt zum Mut- und Trostspender für die US-Nation geworden und habe da "für ein paar Tage einen hervorragenden Job gemacht", räumt Kuby ein. Aber viele hätten ihn danach auch verklärt gesehen.
Die Tage nach den Terroranschlägen von 2001 markieren im Nachhinein die Zeit seines größten politischen Einflusses. Hier ist Giuliani mit Senatorin Clinton und Gouverneur Pataki in der Stadt unterwegs.
Mit Trump zurück aus der Versenkung
Giuliani macht sich nach den Terroranschlägen geschickt zur Marke und daraus ein Geschäft: Er gründet eine Sicherheitsberatung - gegen Terror. Giuliani macht auch in der Ukraine Geschäfte. Als er 2008 Präsident werden will, verkauft er die Firma. Vergeblich: Giuliani fliegt aus dem Rennen um die republikanische Kandidatur.
Er verliert Millionen, seine Bedeutung und verschwindet in der Versenkung, bis ihn sein alter New Yorker Kumpel Trump als seinen Anwalt und Berater ins Weiße Haus holt.
So sei Giuliani in den "Trump-Orbit" gekommen und für den Präsidenten "der Attackierer" geworden, sagt Kuby. "Aber er war schon immer ein primitiver Attacken-Typ."
Kurz nach der Präsidentschaftswahl 2020 schmiss sich Giuliani öffentlich für seinen Präsidenten und gegen den angeblichen Wahlbetrug ins Zeug. Der Auftritt geriet unfreiwillig bizarr.
Auftritte, die verspottet werden
Trumps Kampfhund buhlt vergeblich um einen Posten im Kabinett. In der Öffentlichkeit macht er sich zum Gespött: Bei einer Pressekonferenz läuft dem sichtlich gealterten Giuliani offenbar schwarze Haarfarbe an den Schläfen runter. Eine ehemalige Mitarbeiterin verklagt ihn wegen schwerwiegender sexueller Übergriffe.
Zahlreiche andere Klagen hat er am Hals. Er sei nicht überrascht über diese Entwicklung, sagt Daniel Richman. Es sei über mehrere Jahre zu beobachten gewesen, wie Giuliani sich zum "Handlanger" von Trump gemacht hat. "Es ist sicherlich traurig, was aus ihm geworden ist. Und die Anklageschrift ist sozusagen der Tiefpunkt dieses Falls."
Seine Anwaltslizenz wurde Giuliani wegen aufwiegelnder Bemerkungen vor dem Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 entzogen. Inzwischen fressen ihn offenbar seine eigenen Anwaltskosten auf. Giuliani flehte seinen Ex-Chef Trump an, die siebenstellige Zeche zu zahlen. Doch der ehemalige Mann von ganz Oben lässt seinen Ex-"Fixer" bislang im Regen stehen.