Trump-Prozess in New York Verstößt Trump gegen die Gag Order?
Beim Strafprozess gegen Donald Trump wird derzeit über die sogenannte Gag Order diskutiert, also eine Art Schweigepflicht. Beobachter sagen, der Republikaner habe Dutzende Male dagegen verstoßen - und das aus Kalkül.
Vor und nach jedem Verhandlungstag im Schweigegeld-Prozess tritt Donald Trump vor die wartenden Kameras der US-Sender. Seine Mission: Selbstverteidigung. "Bevor wir beginnen, möchte ich sagen, dass dies alles Biden-Prozesse sind. Das wird als Wahlbeeinflussung gemacht. Jeder weiß, dass ich hier bin, anstatt in Pennsylvania und Georgia und an vielen anderen Orten Wahlkampf zu machen. Das ist sehr unfair. Das ist eine Hexenjagd."
Trump sei ein Angeklagter im Angriffsmodus, meint Juraprofessor und Kriminologe William Black aus Kansas City. Und hat dafür eine einfache Erklärung: den früheren New Yorker Anwalt und Staatsanwalt Rod Cohn, der lange für Donald Trump und dessen Familie tätig war. "Cohn hat ihm beigebracht, sich nie zu entschuldigen und nie eine Niederlage zuzugeben."
Im Schweigegeld-Prozess hat er eine sogenannte Gag Order erhalten - er darf über nichts und niemanden aus diesem Fall sprechen. Es wird aber bereits geprüft, ob er in Dutzenden Fällen dagegen verstoßen hat. In einfachen kurzen Sätzen stellt er sich seit Tagen als Opfer dar - wie im Sender Real America's Voice: "Die Geschworenen wurden so schnell ausgewählt. 95 Prozent sind Demokraten. Es ist eine sehr ungerechte Situation, das kann ich Ihnen sagen."
Umstrittene Gag Order
Seinen einstigen Vertrauten Michael Cohen, der Hauptzeuge der Anklage ist, nennt er auf der Plattform Truth Social einen "in Ungnade gefallenen Anwalt und Schwerverbrecher". Trump hat als einziger eine Gag Order bekommen, was Anwälte beider politischen Lager schwierig finden.
Die eher konservative ehemalige New Yorker Staatsanwältin Annemarie McAvoy meint: "Da sie nur für Trump gilt, könnte es im Nachhinein Probleme geben, etwa bei einer möglichen Berufung. Es ist eine schwierige Situation, weil Stormy Daniels draußen mit der Presse spricht. Michael Cohen hat sogar einen Podcast, in dem er über Trump und den Prozess und all das spricht."
Auch ihr eher liberaler Kollege Ron Kuby aus Manhattan hinterfragt diese Verfügung: "Da Cohen frei über Trump sprechen kann, sollte Trump auch über Cohen sprechen können."
Bewusste Eskalation?
Vermutlich versuche der Richter, Trump unter Kontrolle zu halten, meinen beide, und die Jury und Zeugen zu schützen. Seine Entscheidung wegen der Verstöße steht noch aus. Er könnte Trump verwarnen, ihm eine Geldstrafe geben oder ihn sogar für kurze Zeit ins Gefängnis schicken.
Annemarie McAvoy schließt nicht aus, dass Trump bewusst versucht, den Konflikt auf die Spitze zu treiben. "Und wenn er ins Gefängnis muss, könnte er den Märtyrer spielen. Er könnte behaupten, Biden bringe seinen politischen Gegner ins Gefängnis. Sollte es so kommen, wäre es ein spektakuläres Wahlkampfthema."
Trumps Aktionsradius eingeschränkt
Bei der US-Wahl im November möchte Trump für die Republikaner gegen Biden antreten. Da er in den kommenden fünf Wochen an jedem einzelnen Verhandlungstag in New York persönlich anwesend sein muss, ist sein Radius stark eingeschränkt. Sein Team setzt bereits auf volksnahe, kurzfristige Auftritte. In einer Bodega in Harlem oder wie am vergangenen Donnerstag an einer Baustelle in Midtown.
Die amerikanischen Sender - allen voran CNN und Fox - senden tagelang nahezu monothematisch. Minutiös wird berichtet, was im Gerichtssaal passiert: Trump sagt, es sei zu kalt; Trump flüstert mit seinem Anwalt; Trump hört zu und nickt.
Sagt Trump aus oder nicht?
Beim ehemaligen Präsidenten schalten noch immer viele Amerikaner ein. Er hatte auch angekündigt auszusagen. "Ich bezweifle aber sehr, dass Trump aussagen wird", so McAvoy. "Er sagte, er würde aussagen - bevor der Richter entschieden hat, dass er alle Arten von Fragen zulassen wird, die über die eigentliche Stormy-Daniels-Frage hinausgehen."
Das sieht auch Jurist Kuby so: "Er hat immer alles bestritten, die Affären und so weiter. Ich denke, er würde an Glaubwürdigkeit verlieren, nicht bei der Jury, aber bei seinen Anhängern."
Wann welcher Zeuge gehört wird, gibt der Richter kurzfristig bekannt. Auch - so meinen zumindest einige Juristen -, um sie vor Donald Trumps Attacken zu schützen.