Klimaagenda der USA Biden sucht das Heil in der Atomkraft
Die Energiekrise hat in Deutschland Diskussionen über die Rückkehr zur Atomenergie ausgelöst. Bis vor kurzem war das noch undenkbar. Anders in den USA: Dort verfolgt die Regierung bedenkenlos den Ausbau der Kernkraft.
"Today nuclear power provides ten percent of the world’s electricity", tönt es aus dem Fernseher. "Zehn Prozent des Stroms in der Welt liefert die Atomkraft." Werbespots wie dieser haben gerade Hochkonjunktur in den USA: Der Anteil der Atomkraft am Energiemix müsse steigen, damit die ehrgeizigen Klimaziele der Biden-Regierung eingehalten werden können.
So schreibt es die Nuklearindustrie der Politik ins Stammbuch. Und stößt etwa bei Joe Bidens Energieministerin Jennifer Granholm auf offene Ohren. "Die Hälfte von Amerikas sauberer, sprich emissionsfrei generierter Energie, stammt aus Kernkraftwerken", so die Ministerin.
Was sie meint, ist, dass zwar gut die Hälfte des Strombedarfs noch über fossile Brennstoffe gedeckt wird; bei der anderen Hälfte aber die Atomkraft einen ebenso hohen Anteil hat wie Wind und Sonne gemeinsam.
Atomkraft, wenn die Sonne nicht scheint
Scott Melbye, seines Zeichens Lobbyist für Amerikas Uranproduzenten, argumentiert, erneuerbare Energien und AKW würden sich ideal ergänzen. "Kernkraftwerke könnten immer dann einspringen, wenn Flaute herrscht oder die Sonne nicht scheint." Entsprechend zeichnet sich in den USA ein massiver Ausbau der AKW-Infrastruktur ab. Aktuell sind 56 Atommeiler am Netz, verteilt auf 28 Staaten.
Die Biden-Regierung hat ein Sechs-Milliarden-Dollar-Programm zur Modernisierung der Altmeiler aufgelegt. In Georgia stehen zwei neue Atomkraftwerke kurz vor der Inbetriebnahme. Weitere sollen folgen: Vor allem in ehemaligen Bergbauregionen, um dort abgewickelten Kohlekumpeln neue Jobperspektiven zu bieten.
"Atommüll im Umfang eines Fußballfeldes"
Sicherheitsbedenken kennt die Biden-Regierung nicht: "Die USA setzen den Goldstandard, was die Betriebssicherheit der brandneuen und auch der überholten Reaktoren betrifft", betont Energieministerin Granholm. Beim heiklen Thema "strahlende Altlasten" winkt der Kernkraft-Lobbyist Melbye ab: "Der gesamte Atommüll der USA, der seit den 1950er Jahren angefallen ist, findet auf einem einzigen Fußballfeld Platz", sagt er.
Doch ein Endlager gibt es ebensowenig wie in Deutschland. Daher warnen Umweltschützer wie Ralph Cavanagh die Kommunen, auf deren Gebiet Atomkraftwerke entstehen sollen: "Wer ein Kernkraftwerk beherbergt, der beherbergt auch auf unabsehbare Zeit Atommüll!" Mehr als die Altlasten-Problematik bereitet in den USA jedoch das Bereitstellen von Brennmaterial Sorge. "Ein Fünftel der radioaktiven Energieträger stammt aus Russland", gibt Melbye zu bedenken.
Schlummerndes Uranvorkommen
Zählt man Kasachstan und Usbekistan als Lieferanten dazu, dann stammen 60 Prozent des Urans für US-amerikanische Atomkraftwerke aus dem Ausland. Seit Beginn der russischen Ukraine-Invasion ist klar: Das soll sich ändern. In sieben oder acht westlichen US-Bundesstaaten schlummert ein enormes Uranvorkommen: Lobbyisten wie Melbye werben in Washington nachdrücklich dafür, bei Genehmigungen für den Uranbergbau auf die Tube zu drücken. Die Zeichen der Zeit seien nie günstiger gewesen.