US-Zwischenwahlen Was Trump jetzt beweisen muss
Die US-Republikaner haben wichtige Bundesstaaten nicht erobern können - nun beginnt das Ringen um die Deutung der Ergebnisse. Der US-Experte Tolksdorf erläutert im Interview, in welcher Lage Ex-Präsident Trump steckt - und sein Konkurrent DeSantis.
tagesschau.de: Viele von Donald Trump unterstützte Kandidaten der Republikaner sind bei den Midterms gescheitert. Lässt sich ein Muster erkennen, in welchen Wahlbezirken sie sich nicht durchsetzen konnten oder besonders schwergetan haben?
Dominik Tolksdorf: Zunächst einmal muss man festhalten, dass viele seiner Kandidaten gewonnen haben. Und die wichtigen Staaten Arizona und Nevada sind noch nicht ausgezählt, in Georgia steht eine Stichwahl an. Möglicherweise gewinnen die Republikaner am Ende doch beide Kammern des Kongresses.
Insofern ist die Frage nach Erfolg und Misserfolg noch nicht endgültig entschieden. Trump selbst sagt, die große Mehrheit seiner Kandidaten für das Repräsentantenhaus hätten sich durchgesetzt. Aber zugleich haben viele seiner Kandidaten, zum Beispiel für Gouverneursposten, in wichtigen Swing States nicht gewonnen, etwa in Michigan und Pennsylvania.
Dominik Tolksdorf ist Research Fellow im Bereich USA/Transatlantische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.
"Kein gutes Omen für 2024"
tagesschau.de: Und auf diese Misserfolge schauen auch seine Partei und seine Konkurrenten?
Tolksdorf: Trump muss seiner Partei beweisen, dass seine Kandidaten auch die besonders umkämpften Bundesstaaten erobern können. Denn in den Swing States entscheiden sich in der Regel die Präsidentschaftswahlen. Und wenn man bei den Zwischenwahlen dort schlechte Ergebnisse einfährt, ist das kein gutes Omen für 2024.
Das führt aber gleich zu Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Er kann nach seiner Wiederwahl darauf hinweisen, dass er einen Staat mit großer Mehrheit gewinnen konnte, der vor gar nicht so langer Zeit noch als der klassische Swing State galt. Und offensichtlich konnte er auch genügend Wechselwähler von sich überzeugen. Sollte er jetzt als Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur antreten und nicht bis 2028 warten wollen, könnte er argumentieren, dass er Trumps "Make America Great Again"-Politik (MAGA) grundsätzlich weiterführen würde, aber zugleich für einen Generationswechsel stehen würde.
Womit DeSantis punkten kann
tagesschau.de: Lässt sich der Erfolg in Florida auf das ganze Land übertragen? DeSantis hatte dort eine Art Heimspiel. Er war im Amt und hatte einen Gegenkandidaten, der von vielen Beobachtern als schwach eingeschätzt wurde.
Tolksdorf: DeSantis konnte sich zuletzt nach dem Hurrikan "Ian" als Krisenmanager beweisen - das hat ihm bei der Wahl sicher genützt. Und er kann darauf verweisen, dass er unter den Latinos punkten konnte. Das ist ein wichtiger Aspekt, wenn sie in andere Bundesstaaten wie zum Beispiel Arizona schauen, wo sich auch an dieser Frage entscheidet, ob man die Mehrheit bekommt.
Trump in Erklärungsnöten
tagesschau.de: Warum aber sind Trumps Kandidaten trotz einer günstigen Ausgangslage gerade in den Swing States nicht durchgekommen?
Tolksdorf: Trump versucht offenbar, das auf die Erklärung zu drehen, dass man da die falschen Leute hatte, dass sie ihm teilweise aufgeschwatzt worden seien. Und er wird vermutlich auch argumentieren, dass das Ergebnis ganz anders ausgesehen hätte, wenn er selbst auf dem Wahlzettel gestanden hätte, dass die Schwäche der Kandidaten nicht seine MAGA-Politik in Frage stelle.
tagesschau.de: Das ist ja das bekannte Muster Trumps: Schuld sind immer die anderen. Wenn wir aber auf die Wähler schauen - war die Unzufriedenheit mit den MAGA-Kandidaten größer als mit der wirtschaftlichen Lage?
Tolksdorf: Es zeigt sich, dass die Inflation vielleicht doch nicht das entscheidende Thema war. Man kann es auch umkehren. Die Demokraten haben mehr Leute mobilisiert, als sie zuletzt selbst erwartet haben. Zum einen mit der Gegenthese, dass die Inflation nicht nur von der Biden-Regierung zu verantworten ist, sondern auch an staatlichen Ausgaben und Hilfspaketen liegt, die schon unter Trump eingeleitet wurden und zu der Teuerungsrate beigetragen haben. Und zum anderen mit Themen, an deren Mobilisierungskraft sie zuletzt vielleicht selbst gezweifelt haben. Das Thema Abtreibung hat offensichtlich doch viel mehr Menschen bewogen, zur Wahl zu gehen und auch das große Thema Sorge um die Demokratie. Und offenbar hat eine Mehrheit der jüngeren Generation für die Demokraten gestimmt - Wähler, die sich für diese Themen vielleicht ein bisschen mehr interessieren als die ältere Generation.
Welche Themen bleiben auch 2024?
tagesschau.de: Lässt sich der Mobilisierungseffekt mit den Themen Abtreibungsrecht und Demokratie bei den Demokraten fortschreiben?
Tolksdorf: Ich glaube, dass das Demokratie-Argument auch 2024 noch angeführt werden kann und dass auch das Thema Abtreibung dann noch relevant sein wird - zumal, wenn die Republikaner den Kongress kontrollieren und die Demokraten argumentieren könnten, dass sie seither auf Bundesebene nichts machen konnten.
Auch die gleichgeschlechtliche Ehe kann dann ein Thema sein, wenn der Supreme Court am Urteil Obergefell vs. Hodges von 2015 rüttelt. Vor allem für die jüngere Generation Z sind das Waffenrecht oder bezahlte Kinderbetreuung Riesenthemen, die sie für Wahlen mobilisieren. Außerdem haben die Demokraten nun erkannt, wie gefährlich das Thema Wirtschaft für sie werden kann und dass sie in diesem Bereich aufholen müssen. Hier müssen sie klare Botschaften entwickeln, wie sie die Wirtschaft voranbringen und die Inflation zurückdrehen wollen.
Biden und ein möglicher Generationswechsel
tagesschau.de: Die Glaubwürdigkeit der Botschaften hängt auch von den Kandidaten ab. Trump oder DeSantis - was würde das für die Nominierung bei den Demokraten bedeuten?
Tolksdorf: Wir können derzeit nur spekulieren, wer für die Republikaner ins Rennen geht. Aber sicher wird für die Demokraten eine Rolle spielen, wen die Republikaner nominieren. Biden sagte 2020, dass er der Einzige sei, der Trump schlagen kann. Wenn aber die Republikaner einen Generationswechsel vollziehen und DeSantis ihr Kandidat wird, könnte ich mir schon vorstellen, dass die demokratischen Strategen drängen werden, darauf zu reagieren und die Frage aufwerfen, ob Biden noch der richtige Kandidat ist. Weil sie sich sonst auf ein Narrativ der Gegenseite einstellen müssen "Alter Mann gegen schlagfertigen jungen Republikaner". Mit Gavin Newsom aus Kalifornien und Gretchen Whitmer in Michigan haben Demokraten Gouverneurswahlen gewonnen und sich damit in Stellung gebracht - um zum Beispiel gegen DeSantis anzutreten.
Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de