die britische Premierministerin Theresa May
Analyse

Brexit-Abstimmung Mays Scheinsieg

Stand: 14.03.2017 16:26 Uhr

Großbritannien nimmt weiter Kurs auf den Brexit. Premierministerin May hat sich durchgesetzt im Parlament. Doch das war nur ein Scheinsieg, meint Jens-Peter Marquardt. Weitere Auseinandersetzungen mit Schottland, Nordirland und der EU stünden bevor.

Theresa May hat sich durchgesetzt: ihre eigenen Konservativen auf Linie gebracht, die Opposition ausgebremst und die Lords im Oberhaus zu Zuschauern degradiert. Alle Versuche, der Premierministerin ein paar Auflagen mit auf den Weg nach Brüssel zu geben, sind gescheitert.

Großbritannien nimmt damit Kurs auf einen harten Brexit, so, wie es May Ende Januar angekündigt hatte: nicht nur raus aus der Europäischen Union, sondern auch raus aus dem Europäischen Binnenmarkt und der Zollunion. Ist das der Plan einer Politikerin, die vor dem Referendum noch für den Verbleib in der EU eintrat und vor einem Wirtschaftscrash nach dem Brexit warnte? Nicht wirklich.

Ohne Rücksicht auf Verluste

Die Tory-Premierministerin steht inzwischen voll unter dem Einfluss der Brexit-Hardliner in ihrer Partei und in ihrem Kabinett. Mitgliedschaft im Binnenmarkt ist ohne Freizügigkeit für EU-Bürger und ohne Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht zu bekommen. Eigene Handelsabkommen mit Drittländern nicht als Mitglied der Zollunion, also weg damit - die Brexiters wollen die volle Freiheit, ohne Rücksicht auf Verluste.

Und sie leben in einer Traumwelt: Die EU werde am Ende einknicken, einem für Großbritannien günstigen Deal zustimmen, schließlich würden doch vor allem die Deutschen ihre Autos weiter in großer Zahl auf der Insel verkaufen wollen. So die feste Überzeugung derer, die Theresa May ohne großen Widerstand auf den Kurs zum harten Brexit lotsen konnten.

Bloß keine Anreize für Nachahmer

Wunschdenken ist das. Die EU wird alles tun, um den eigenen Laden zusammen zu halten. Brüssel will keine Anreize für Nachahmer zu schaffen, die ebenfalls die Mitgliedschaft kündigen könnten, ohne auf die Vorzüge dieses freien Marktes verzichten zu müssen. Mehr als der Rest der Union braucht aber Großbritannien ein ordentliches Ergebnis der Austrittsverhandlungen.

Ein Scheitern der Gespräche, ein Ausstieg ohne neues Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien, würde die Briten viel härter treffen als die Kontinentaleuropäer. Diese Erfahrung werden die Brexiters, die jetzt noch so großmäulig daher reden, in den kommenden zwei Jahren machen.

Exit vom Brexit? Unwahrscheinlich!

Und dann? Vielleicht doch noch der Exit vom Brexit? Wünschenswert, aber unrealistisch. EU-Ratspräsident Donald Tusk wird wohl Recht behalten. Am Ende wird es nur Verlierer geben, auf dem Kontinent und auf der Insel. Dort vor allem: Schon jetzt brechen die Gräben zwischen den britischen Nationen auf.

Die schottischen Nationalisten wollen aus Großbritannien austreten, um in der EU bleiben zu können. Und die Vertreter der katholischen Nordiren wollen noch mehr als bisher den Anschluss an die Republik Irland und damit das gleiche Ziel erreichen. Wahrscheinlich werden beide damit scheitern, und Theresa May wird sich auch hier zur Siegerin erklären. Sie ist aber dabei, Brexit-Britannien auf den Trümmern all dieser Auseinandersetzungen zu errichten.       

   

Jens-Peter Marquardt, J.-P. Marquardt, ARD London, 14.03.2017 16:32 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 14. März 2017 um 18:30 Uhr im Echo des Tages.