Fall Skripal So kam "Bellingcat" Mischkin auf die Spur
Zügig hatten die investigativen Journalisten von "Bellingcat" die Identität des ersten mutmaßlichen Skripal-Attentäters herausgefunden, die Recherche zum zweiten Verdächtigen dauerte etwas länger - liefert dafür aber einige neue Hinweise.
Von Jens-Peter Marquardt, ARD-Studio London
"Alexander Mischkin ist ein ausgebildeter Militärarzt", sagt Christo Grozew, Reporter und Rechercheur der investigativen Website "Bellingcat". Mischkin, 39 Jahre alt, habe seinen Abschluss an einer medizinischen Elite-Fakultät des russischen Militärs gemacht - und habe eine weitere Ausbildung als Marinearzt erhalten. Jetzt sei er im Dienst des russischen Militärgeheimdienstes GRU, dessen Adresse in Moskau auch sein offizieller Wohnsitz sei.
"Bellingcat" hatte bereits die Identität des ersten mutmaßlichen Skripal-Attentäters, Anatoli Tschepiga, offengelegt. Im Fall von Mischkin dauerten die Recherchen ein bisschen länger. Der Grund: Online gab es auf ihn so gut wie keine Hinweise. Doch über seinen gefälschten Pass kamen die "Bellingcat"-Rechercheure auf seine Spur.
Nur der Nachname gefälscht
Denn es stellte sich heraus, dass dort nur der Nachname gefälscht war. Ansonsten aber stimmte seine Vita: der Vorname Alexander, das Geburtsdatum, Geburtsort, die Namen der Eltern etc. Und so konnte sich ein "Bellingcat"-Rechercheur auch in dem kleinen Ort Loyga umschauen, in der Provinz Archangelsk, im hohen Norden Russlands: "Mischkin wuchs in diesem Dorf auf, das nicht einmal eine Straße hat, aber meist bei Dauerfrost unter einer Schneedecke liegt. Man mag sich dabei daran erinnern, dass die Beiden im russischen Fernsehen erklärt hatten, dass sie als Touristen unterwegs gewesen seien, aber Salisbury am ersten Tag schnell wieder verlassen hätten, weil dort zu viel Schneematsch gelegen habe", so Grozew.
Ähnlich wie Anatoli Tschepiga ist auch Mischkin laut "Bellingcat"-Recherchen mit dem gefälschten Pass und unter falschem Namen in mehrere Länder gereist - darunter mehrmals in die Ukraine zur Zeit der Proteste auf dem Maidan in Kiew und nach Transnistrien.
Die "Bellingcat"-Rechercheure sehen in der Tatsache, dass Mischkin Arzt sei, einen weiteren Hinweis auf die Beteiligung an dem Nervengift-Anschlag in Salisbury: "Die Tatsache, dass einer der beiden Arzt ist, kann am besten dadurch erklärt werden, dass er dabei war, um seinen Kollegen vor einer möglichen Berührung mit dem Gift zu schützen."
Beide Verdächtige von Putin ausgezeichnet
Unterdessen teilte das Netzwerk "Bellingcat" mit, dass sowohl Mischkin als auch Tschepiga von dem russischen Präsident Wladimir Putin eine Auszeichnung erhalten haben. Mischkin wurde demnach bereits 2014 von Putin ausgezeichnet. Der 39-jährige Tschepiga hat offenbar den Ehrentitel "Held der russischen Föderation" erhalten.
Moskau bestreitet Beteiligung
Die Regierung in Moskau hat bisher jede Beteiligung an dem Novitschok-Anschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Julia in Salisbury bestritten. Die britischen Behörden gehen dagegen davon aus, dass der Befehl zu diesem Anschlag von sehr weit oben in der russischen Hierarchie kam.