Nationalversammlung debattiert Arbeitsmarktreform Draußen Protest, drinnen Pathos
In der französischen Nationalversammlung hat die Debatte über die strittige Arbeitsmarktreform begonnen. Arbeitsministerin El Khomri verteidigte die Pläne als Beginn einer Ära des sozialen Dialogs. Doch im Parlament und auch davor erntete sie heftigen Widerspruch.
Nach dem Showdown auf der Straße war der Auftakt der Parlamentsdebatte eher eine Show der Langeweile. Mit diesem Gesetzentwurf beginne eine neue Ära des sozialen Dialogs, sagte Arbeitsministerin Myriam El Khomri. Sie verteidigte die Reform, die ihren Namen trägt, und gab jedoch auch Missverständnisse und Fehler zu. Deshalb wurde der ursprüngliche Text auch schon verändert. Es soll jedoch bei mehr Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung und leichteren Kündigungen, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, bleiben. Auch Überstundenzuschläge sollen künftig reduziert werden können.
Betriebsvereinbarungen sollen Vorrang haben
Der Schlüssel dazu sind Betriebsvereinbarungen, die Branchentarifverträge, aber auch arbeitsrechtliche Regelungen ändern können. So sieht es jedenfalls der Kern des Gesetzes vor, das vor allem eines will: mehr Beschäftigung schaffen.
Das Herzensanliegen der Regierung gewann mit der fast halbstündigen Einführung der Ministerin jedoch schon einen pathetischen Charakter - jedenfalls in den Augen des Kommunisten André Chassaigne. "Um eine Trennlinie zwischen Politik und Pathos zu ziehen, verlange ich die Unterbrechung der Sitzung", sagte er. Drei Minuten wurden gewährt, bevor eine eher zähe Debatte zu einem heißen Thema ihren Lauf nahm.
5000 Änderungsanträge
5000 Änderungsanträge liegen vor: auch zu den Voraussetzungen für schnellere betriebsbedingte Kündigungen. Die Mehrheit der Regierung wackelt. Die konservative Opposition wittert ihre Chance, der Regierung nach der gescheiterten Verfassungsreform zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei Terroristen erneut eins auszuwischen.
Den Unternehmern, die unter anderem für befristete Verträge höhere Abgaben zahlen sollen, geht die Reform nicht weit genug, den meisten Arbeitnehmervertretern viel zu weit. Mit Sitzstreik und Kundgebungen machten sie vor der Nationalversammlung und dem benachbarten Invalidendom ihrem Ärger Luft.
Gewerkschaften laufen Sturm gegen das Gesetz
Von einem historischen Bruch sprach Jean Claude Mailly, Chef der Gewerkschaft Force Ouvrière, und forderte erneut, das Gesetz zu kippen. Die Umkehr der Hierarchie der Normen störe: Betriebsvereinbarungen und der soziale Dialog würden über das Gesetz gestellt, so der Vorwurf.
Müssen wir dem Druck der Straße nachgeben? Diese Frage hatte Arbeitsministerin El Khomri am Morgen schon in einer großen Boulevardzeitung mit Nein beantwortet. Vielleicht hatte sie da schon ihr Pulver verschossen. Am 17. Mai wird abgestimmt. Viel Zeit für langweilige, zu technische Debatten und aufregende, heftige Proteste. Sieben von zehn Franzosen lehnen die Reform ab. Die Kraftprobe zwischen Regierung und Gewerkschaften geht in ihre entscheidende Phase.