Krieg im Nahen Osten Kein Weg aus Gaza für ARD-Mitarbeiter
Seit mehr als zwei Monaten setzt sich die ARD für die Ausreise palästinensischer Mitarbeiter aus dem Gazastreifen ein - mit Unterstützung der Bundesregierung. Doch die israelischen Behörden stellen sich dagegen.
Damit deutsche Medien über die Lage und das Kriegsgeschehen im Gazastreifen berichten können, brauchen sie palästinensische Kollegen. Sie fotografieren, filmen, führen Interviews, die in die Berichte einfließen - auch in die Berichterstattung aus dem ARD-Studio Tel Aviv.
Mohammad Abu Saif ist einer dieser Journalisten, die im Gazastreifen arbeiten. Seit einigen Jahren ist er für die ARD tätig, jetzt sind die Bedingungen sehr schwer: Nach 112 Tagen Krieg im Gazastreifen sei seine Lage sehr schlecht, berichtet er. Er fürchtet jeden Tag um sein Leben.
Zurzeit lebt er in einem Zelt ganz im Süden des Gazastreifens, in Rafah, wohin Hunderttausende Palästinenserinnen und Palästinenser vor den Kampfhandlungen geflohen sind. Manchmal übernachtet er im Auto.
Bereits acht Mal wurde Mohammad Abu Saif schon evakuiert, nun weiß er nicht mehr wohin. Damit geht es ihm wie vielen im Gazastreifen. Laut den Vereinten Nationen gibt es im Gazastreifen, neben mehr als 25.000 Toten und über 63.000 Verletzten, auch rund 1,7 Millionen Binnenvertriebe.
Angst um sein Leben - und vor Hamas
Doch für Mohammad Abu Saif und seine Kollegen, die palästinensischen Journalisten im Gazastreifen, ist das Leben besonders gefährlich geworden. Einmal wurde er bei einem Luftangriff bereits verletzt, zum Glück nur leicht. Nach einer Zählung des Committee to Protect Journalists sind im Gazakrieg bereits 83 Journalisten und Medienschaffende getötet worden.
Auch Mohammad Abu Saif fürchtet um sein Leben. Er hat große Angst, von den israelischen Streitkräften getötet zu werden. Und er hat auch Angst, ins Visier der Hamas zu geraten, mit der er immer wieder Probleme hatte. Schließlich arbeitet er seit mehr als zwei Jahren für die ARD, ein deutsches Medium - und Deutschland hat sich in diesem Krieg klar an der Seite Israels positioniert.
Er berichtet von Menschen im Gazastreifen, die ihn nicht in seiner Nähe haben wollen: Sie haben Angst, an seiner Seite zur Zielscheibe zu werden. Mohammad Abu Saif lebt in ständiger Angst, der nächste Journalist zu sein, der im Gazastreifen getötet wird.
"Mitarbeiter sind kein Sicherheitsrisiko"
Der Bayerische Rundfunk, der das ARD-Studio Tel Aviv federführend betreibt, setzt sich seit mehr als zwei Monaten dafür ein, dass Mohammad Abu Saif und Ahmed Younes, ein weiterer langjähriger Mitarbeiter der ARD, aus dem Gazastreifen ausreisen können. Die Bundesregierung unterstützt inzwischen die Ausreise der ARD-Mitarbeiter. Grundlage ist Paragraph 22 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes, der es erlaubt, Ausländer aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen aufzunehmen.
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es dazu: "Da die Lokalbeschäftigten und ihre Familien in der Regel nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, durchlaufen sie vor einer Weiterreise nach Deutschland ein Visumverfahren mit den üblichen Überprüfungen durch zuständige Sicherheitsbehörden."
Auch Deutschland setzt sich also dafür ein, dass die Mitarbeiter der ARD ausreisen können. Aber es geht nicht weiter, sagt Christian Nitsche, der Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks:
Es ist immer eine Ausnahme, wenn man über eigene Mitarbeiter berichtet. In diesem Fall muss es sein, es geht um das Leben langjähriger Mitarbeiter. Die Bundesregierung hat Sicherheitsprüfungen vorgenommen, die Aufnahme dieser Mitarbeiter zugesagt. Aber von israelischer Seite wird Ausreise aus dem Gazastreifen aus Sicherheitsgründen bislang blockiert. Das ist unverständlich, weil ja der israelische Boden gar nicht mehr betreten würde. Diese Mitarbeiter sind kein Sicherheitsrisiko und wir appellieren deswegen an die israelischen Behörden, an die Regierung, unsere Mitarbeiter ausreisen zu lassen.
Deutsche Bemühungen ohne Erfolg
Das israelische Verteidigungsministerium, das Außenministerium, der Inlandsgeheimdienst und COGAT, die israelische Koordinierungsbehörde für die palästinensischen Gebiete, haben auf Anfrage der ARD bislang nicht reagiert beziehungsweise verweisen auf andere Behörden. Außerdem wurde der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prozor, durch den Bayerischen Rundfunk um Unterstützung gebeten.
Das Auswärtige Amt hat dem ARD-Studio Tel Aviv bestätigt, dass 100 so genannte lokalbeschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschließlich ihrer Familien bisher aus dem Gazastreifen ausreisen konnten. Hinzu kommen mehr als 700 deutsche Staatsbürger einschließlich ihrer Familien, die bereits ausgereist sind.
Warum die Ausreise in anderen Fällen - wie denen der ARD - nicht gelingt, bleibt unklar. Dem Vernehmen nach wurden die deutschen Bemühungen um eine Ausreise auch auf Ministerebene vorgetragen - dies hatte bislang offenkundig keinen Erfolg. In den letzten Tagen war mindestens in zwei Fällen Journalisten die Ausreise auf dem Gazastreifen gelungen - allerdings hatten diese keinen Bezug zu Deutschland.
Für Mohammad Abu Saif, den Mitarbeiter der ARD, sind das keine guten Nachrichten. Er sieht für sich keine Perspektive als Journalist im Gazastreifen. Er habe alles verloren, sagt er. Und: Er wolle nicht sterben.