Wegen russischer Forderungen Atomgespräche mit dem Iran unterbrochen
Nach elf Verhandlungsmonaten stand ein neues Atomabkommen mit dem Iran kurz vor Abschluss. Überraschend wurden die Gespräche in Wien nun aber ausgesetzt - weil Russland wegen des Ukraine-Kriegs Last-Minute-Forderungen stellt.
Kurz vor der Ziellinie sind die Verhandlungen zur Rettung des Atomabkommens mit dem Iran nach neuen Forderungen Russlands auf unbestimmte Zeit unterbrochen worden. Dabei war die Einigung nach Aussage von EU-Außenbeauftragten Josep Borrell so gut wie fertig. "Aufgrund externer Faktoren ist eine Pause in den #ViennaTalks erforderlich", schrieb Borrell auf Twitter. "Ein endgültiger Text ist im Wesentlichen fertig und liegt auf dem Tisch."
Regierungsvertreter hoffen darauf, dass die Gespräche in den nächsten Tagen wieder aufgenommen werden. Ein hochrangiger EU-Beamter erklärte, es gebe noch zwei oder drei technische Probleme, die zwischen Washington und Teheran geklärt werden müssten. Diese könnten aber schnell gelöst werden. Er hoffe, dass man noch vor dem iranischen Neujahr am 21. März nach Wien zurückkehre.
Moskau fordert Garantien
Die Gespräche dauern bereits seit elf Monaten an. Russische Diplomaten vermitteln in Wien gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und China zwischen dem Iran und den USA. Die Europäische Union koordiniert die Gespräche. Nach Diplomaten-Aussagen hat Moskau trotz seiner Differenzen mit dem Westen und trotz seinem Angriff auf die Ukraine fast bis zuletzt eine konstruktive Rolle bei den Verhandlungen gespielt.
Am vergangenen Samstag hatte Russland plötzlich aber umfangreiche Garantien gefordert, dass der russisch-iranische Handel von jeglichen Sanktionen, die im Zusammenhang mit der russischen Invasion in der Ukraine verhängt wurden, nicht betroffen sein werde. Die EU und die USA haben dies mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass die neuen Bedingungen nichts mit den Atomgesprächen zu tun hätten.
Iran ist irritiert
Russlands Atomverhandler Michail Uljanow wies vor Journalisten die Schuld für die Verhandlungspause zurück. Solche Behauptungen seien "schmutzige Spielchen". Der Abschluss einer Vereinbarung hänge nicht nur von seinem Land ab. "Es gibt noch andere Akteure, die zusätzliche Zeit benötigen und die weitere Bedenken haben. Und diese werden besprochen."
Der Iran ist von Moskaus Forderungen zwar irritiert, zog es jedoch bislang vor, sich zu dem Thema nicht klar zu positionieren. Laut Außenminister Hussein Amirabdollahian sollten "ausländische Elemente" keinen Einfluss auf die nationalen Interessen des Iran haben, weder bezüglich der Atomverhandlungen noch der Zusammenarbeit mit anderen Staaten "wie Russland".
Bundeskanzler Olaf Scholz forderte Russland und China auf, mit für eine Einigung zu sorgen. Er mahnte auf dem EU-Gipfel in Versailles Kompromissbereitschaft aller Seiten an. "Es ist die Aufgabe auch von Mächten wie Russland und China, dass sie diese Ergebnisse konstruktiv mit begleiten", sagte er. Der chinesische Präsident Xi Jinping habe ihm bei einem Telefonat versichert, dass das Atomabkommen für ihn und die chinesische Politik "eine ganz ganz wichtige Sache" sei.
Aufhebung von Sanktionen für Einschränkungen des Atomprogramms
Die Übereinkunft sieht vor, dass die Vereinigten Staaten ihre Sanktionen gegen den Iran aufheben. Im Gegenzug soll die Islamische Republik ihr Atomprogramm wieder einschränken, um die Entwicklung von Nuklearwaffen zu unterbinden. Die USA waren unter dem vorigen Präsidenten Donald Trump aus dem Atomabkommen von 2015 ausgestiegen und hatten den Iran mit neuen Embargos in eine Wirtschaftskrise gestürzt.
Bei einem erfolgreichen Abschluss der Wiener Verhandlungen könnte der Iran als Alternative für russische Öl- und Gaslieferungen in den Westen in Frage kommen. In dem Fall, so die Meinungen, würde Moskau alles unternehmen, um dies zu verhindern und notfalls eine Atomeinigung sabotieren.
Die Regierung von Präsident Ebrahim Raisi betrachtet Russland als strategischen Partner. Das bilaterale Handelsvolumen wird auf 3,65 Milliarden Euro im Jahr geschätzt. Das Atomkraftwerk Buschehr in Südiran läuft mit russischer Technik. Bedeutender ist jedoch die politisch-militärische Achse. Gemeinsam mit Russland konnte der Iran Syriens Machthaber Baschar al-Assad an der Macht halten und so die regionalen Interessen von Irans Erzfeinden Israel und USA stören.