Bangladeschs Textilarbeiter Immer noch nah an der Armutsgrenze
Vor zehn Jahren stürzte in Bangladesch die Textilfabrik Rana Plaza ein. Mehr als 1100 Menschen kamen dabei ums Leben. Was hat sich seitdem geändert - und was ist nach wie vor problematisch?
Konzentriert steht Ismail Hossain an seinem Arbeitsplatz und schneidet Stoffe zurecht. Seit mehreren Jahren arbeitet er in der Textilfabrik "4A Yarn Dyeing", die etwa zwei Autostunden außerhalb von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka liegt. Über seinem Hemd trägt er eine gelbe Weste, die mit leuchtend roten Buchstaben bedruckt ist. "Firefighter" steht darauf.
Hossain ist einer von etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die vom Unternehmen als Feuerwehrmann geschult wurden. Wenn er über seine Tätigkeit als Feuerwehrmann spricht, leuchten seine Augen. "Alle drei Monate erhalten wir Schulungen. Ich lerne dort alles rund um die Themen Feuerschutz und Evakuierungen", sagt er.
"Man bringt mir bei, was ich im Ernstfall tun muss, um meine Kollegen zu retten. Ich freue mich immer auf die Trainings und bin froh, daran teilnehmen zu können." Für ihn sei die Arbeit bei der Werksfeuerwehr eine Ehre. Er tue das sehr gerne, sagt er.
Verbesserte Sicherheitsstandards, mehr Kontrollen
Dass es in Hossains Fabrik überhaupt eine Werksfeuerwehr gibt, hat unmittelbar mit dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza am 24. April 2013 zu tun, bei dem mehr als 1100 Menschen ums Leben kamen und 2500 verletzt wurden. In dem Gebäude, in dem auch einige deutsche Unternehmen Kleidung produzieren ließen, waren elementare Sicherheitsstandards nicht eingehalten worden.
Seitdem wurden Gesetze verschärft und Fabrikbesitzer gezwungen, mehr Geld in die Sicherheit zu investieren. Zudem muss nun ein Teil der Belegschaft imstande sein, Rettungsmaßnahmen ergreifen zu können. Die Einhaltung der Vorschriften wird inzwischen regelmäßig kontrolliert.
Aus der Katastrophe habe man zahlreiche Lehren gezogen, erklärt Abdullah al Rakib. Ihm gehört die Textilfabrik "4A Yarn Dyeing", ein Unternehmen, das von verschiedenen Prüfstellen als besonders nachhaltig und sicher ausgezeichnet wurde. Al Rakibs Firma produziert Kleidung für Luxusmarken wie Tommy Hilfiger und Calvin Klein.
Noch immer schwierige Arbeitsbedingungen
"Damals hatte ich den Eindruck, dass das ganze Land plötzlich aufwacht. Alle arbeiteten unter Hochdruck an Lösungen", sagt er. "Die Fabrikbesitzer, die Regierung, Auftraggeber, alle diskutierten gemeinsam. Wir haben seitdem viel Geld in hochmoderne Systeme gesteckt."
Al Rakibs Firma ist zweifellos ein Vorzeigeunternehmen. Auf dem Gelände gibt es eine eigene Klinik für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sämtliche Notausgänge sind breiter als gesetzlich vorgeschrieben, an jeder Ecke hängen mehrere Feuerlöscher.
Die Textilfabrik "4A Yarn Dyeing" gilt als Vorzeigebetrieb - die Arbeitsbedingungen sind andernorts alles andere als selbstverständlich.
Unterschiedliche Standards
Dennoch sind nicht überall in Bangladesch die Standards derart hoch. Noch immer sind die Arbeitsbedingungen im Textilsektor, der über 80 Prozent der Exporte ausmacht, oftmals schwierig. Kalpona Akter, eine der einflussreichsten Textilaktivistinnen des Landes, kritisiert vor allem die mangelnden Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter.
"Eine Gewerkschaft zu bilden, ist schwer. Die Arbeiter können sich deshalb kaum Gehör verschaffen", erzählt Akter. "Grundrechte können nicht wahrgenommen werden, obwohl sie im Gesetz stehen. Auch die soziale Absicherung ist ein großes Thema."
Wo früher die Textilfabrik Rana Plaza war, wuchern heute wilde Aronstabgewächse - das Gebäude wurde nicht wieder aufgebaut.
Geringer Lohn als Hauptproblem
Die Folge: Millionen Menschen, die im Textilsektor beschäftigt sind, leben nahe an der Armutsgrenze oder gar darunter. "Viele Menschen verdienen umgerechnet nur etwa 70 Euro pro Monat und es herrscht eine hohe Inflation", erklärt Akter. "Für die meisten ist es schwierig, täglich eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Sie müssen ihre Lebensmittel rationieren und auch die ihrer Kinder."
Eine Situation, die auch Mohammad Rubel Mia kennt. Er arbeitet für die Firma "Style Museum". Er liebe seine Arbeit. Doch der Lohn, der in weiten Teilen der Branchen bezahlt wird, sei ein großes Problem. "Mein Vater kommt für einen Großteil der Ausgaben auf, die in unserer Familie anstehen", so Rubel Mia. "Ein kleines bisschen Geld kann ich dann selbst noch beisteuern."
Zwar fühle er sich sicher an seinem Arbeitsplatz, sagt er. Doch wie er mit dem Geld langfristig für sich und seine Familie sorgen kann, das weiß er nicht.