Volkskongress in China Xi ohne Grenzen?
Die Macht von Chinas Staatschef Xi wächst weiter. Der Volkskongress hob mit einer Verfassungsänderung die Begrenzung der Amtszeiten des Präsidenten auf. Selbst Kritik an Xi könnte als verfassungswidrig gelten.
Chinas Volkskongress hat Präsident Xi Jinping den Weg freigemacht, unbegrenzt im Amt zu bleiben. Das nicht frei gewählte Parlament billigte eine entsprechende Verfassungsänderung. Bislang war die Amtszeit des Präsidenten auf zweimal fünf Jahre begrenzt. Xi könnte jetzt theoretisch so lange im Amt bleiben, wie er möchte.
Das sei ein Paradigmenwechsel, sagt Kristin Shi-Kupfer. Sie ist Wissenschaftlerin beim China-Institut Merics in Berlin. "Es bedeutet vor allen Dingen ein größeres Risiko, es bedeutet größere Machtfülle, weniger Transparenz. Weniger Möglichkeit auch, persönliche Politikentscheidungen zu korrigieren. Sicherlich ist das als ein Schritt zu bewerten in Richtung eines totalitären Systems."
Stabilität und Kontinuität
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei hatte die Abschaffung dieser Begrenzung vorgeschlagen. Offiziell wird die Verfassungsänderung damit begründet, Stabilität und Kontinuität für die politische Führung der Volksrepublik in den kommenden Jahrzehnten zu schaffen. Wie erwartet gab es unter den fast 3000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes kaum Widerspruch. Lediglich zwei Delegierte stimmten gegen den Antrag, drei enthielten sich.
Für Wang Chenguang, Jurist an der renommierten Tsinghua Universität in Peking, ist das der richtige Weg. Im Staatsfernsehen CGTN sagte er: "Jedes Land und jede Gesellschaft hat seinen eigenen Probleme und Herausforderungen. Für die Reformpolitik in China ist Kontinuität und Stabilität das wichtigste. Wir brauchen dafür eine stabile Führung, die die Politik für die kommenden Jahre umsetzen kann."
Neue ideologische Leitlinie
Auch das so genannte Xi-Jinping-Denken ist als neue ideologische Leitlinie in der Präambel der Verfassung verankert worden. Kritik an Xi könnte damit künftig als verfassungswidrig gelten.
Kritiker werden es deshalb künftig noch schwieriger haben, sagt der Pekinger Dissident Hu Jia. "Die ganze Zeit unter Xi Jinping wurden Leute mit abweichenden Meinungen unterdrückt. Jeder muss das doch klar sehen. Wie kann Präsident Xi nun so unbeschränkt herrschen dürfen? Weil zu wenige Leute sich wehren. Und darum können wir in diesem Moment nicht zurückweichen, sondern müssen nach vorne kommen und Stellung beziehen."
Der 64-jährige Xi galt bereits vorher als der mächtigste Politiker in der Volksrepublik seit Jahrzehnten. Seit seinem Amtsantritt 2013 richtete er Staat und Partei konsequent auf sich aus. Er hat die wichtigsten Kommissionsvorsitze selbst übernommen und sich den Titel "Kern der Partei" verleihen lassen. Im Antrag zur Verfassungsänderung hieß es nun, die Abschaffung der Begrenzung auf zwei Amtszeiten diene dazu, mit Xi die "Autorität und die vereinigte Führung" des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei zu sichern und das "nationale Führungssystem zu stärken und zu perfektionieren".
Kritiker warnen vor soviel Macht
Xi ist Präsident, Parteichef sowie Oberkommandierender der Streitkräfte. Kritiker warnen vor so viel Macht in den Händen des Präsidenten. Umgeben von Ja-Sagern könnte Xi den Bezug zur Realität verlieren.
Der Politikwissenschaftler Willy Lam von der Chinese University in Hongkong sagt, der Präsident sei in den vergangenen fünf Jahren extrem erfolgreich darin gewesen, seine Fraktion innerhalb der politischen und militärischen Führung auszubauen. Xi ist ein Erz-Konservativer, der um jeden Preis die Macht der Kommunistischen Partei erhalten wolle. Und seine eigene Macht als "Mao Zedong des 21. Jahrhunderts", so Lam.
Der Volkskongress in China. Der Parlamentsbeschluss stärkt die Macht des Präsidenten.
Kritik an staatlicher Aufsichtskommission
Durch einen Verfassungszusatz bekommt China nun außerdem eine neue staatliche Aufsichtskommission, die mit weitreichenden Befugnissen unabhängig von der Justiz die bisherige Kontrolle der Parteimitglieder auf alle Staatsbediensteten ausweitet. Das Organ soll den Kampf gegen die Korruption stärken. Unter Xi hat der Kampf gegen Korruption oberste Priorität.
Darin sehen die Kritiker ein neues Werkzeug der Kommunistischen Partei zur politischen Verfolgung. Lam sagt, dass es unter Xi - verglichen mit seinen drei Vorgängern Deng Xiaoping, Jiang Zemin und Hu Jintao - am wenigsten Toleranz für abweichende Meinungen gibt. "Er kontrolliert strikt die Medien, das Internet und die sozialen Medien. Außerdem versucht er, zivilgesellschaftliche Elemente zu unterdrücken", so Lam. Für die Intellektuellen in China, die nicht mit Xis "extrem orthodoxer Form des Sozialismus" übereinstimmen, sei das eine große Herausforderung.