Geburtenrate in China Zu viel gebremst
Nach jahrzehntelanger Ein-Kind-Politik hat China das Bevölkerungswachstum im eigenen Land stark gebremst. Mehr noch: Die Bevölkerung schrumpft sogar. Das bringt Probleme mit sich.
Die Weltbevölkerung wächst und ausgerechnet im bevölkerungsreichsten Land der Welt gehen die Zahlen zurück. Jahrzehntelang hat China versucht, das Bevölkerungswachstum in den Griff zu bekommen. Bis 2016 durfte jedes Paar nur ein Kind haben. Das war die sogenannte Ein-Kind-Politik. Doch damit ist China über das Ziel hinausgeschossen. Inzwischen schrumpft die Bevölkerung. Und sie wird älter.
China wird alt, bevor es reich wird, sagt Yi Fuxian. Er ist Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie an der Universität Wisconsin-Madison in den USA. "Vor zwei Jahren war es noch so, dass einer Person, die 65 Jahre oder älter ist, fünf Arbeitskräfte gegenüber standen," sagt er. Im Jahr 2035 werde dieser Schnitt nur noch bei 2,4 Arbeitskräften liegen, im Jahr 2050 nur noch bei 1,6 Arbeitskräften. "Das bedeutet, dass die Ausgaben für die Sozialversicherung und die Krankenversicherung in China steigen und die Staatsverschuldung zunehmen wird."
Schulbildung und Wohnen extrem teuer
Yi erwartet zudem, dass mit Chinas schrumpfender Bevölkerung auch die Wirtschaft nicht mehr so stark wachsen kann. Das Gesundheitssystem sieht er gar vor einer Krise, da die Zahl der älteren Patienten steigen wird, ohne dass es genügend Nachwuchs gibt, um die älteren Menschen aufzufangen.
China versucht seit wenigen Jahren wieder gegenzusteuern und Paare zu motivieren, mehr Babys zu haben. Im vergangenen Jahr hat die Staats- und Parteiführung nach dem zweiten gar wieder ein drittes Kind erlaubt. Doch viele wollen nicht mehr als ein Kind oder können sich nicht mehr als eins leisten, weil die Schulbildung und das Wohnen extrem teuer sind.
In Zukunft 40 Millionen unverheiratete Männer
Ein weiteres Problem: Durch die Ein-Kind-Politik waren jahrzehntelang selektive Abtreibungen gang und gäbe. Jungen wurden bevorzugt auf die Welt gebracht, Mädchen häufig abgetrieben. Denn in der chinesischen Kultur und Gesellschaft wird Jungen oft mehr Wert beigemessen als Mädchen.
Heute haben chinesische Männer Probleme, Frauen zu finden. Auf 100 Frauen im heiratsfähigen Alter kommen 125 Männer, wie Professor Yi erklärt. "In ländlichen Gebieten ist es sehr schwierig und teuer, eine Frau zu heiraten." In Zukunft werde es in China 40 Millionen unverheiratete Männer geben. Das bedrohe die soziale Stabilität und führe zu Vergewaltigungen und Frauenhandel. "Viele Männer in China sehen sich gezwungen, Bräute aus Nachbarländern wie Myanmar, Vietnam und Laos zu heiraten. So wird der Frauenmangel in die Nachbarländer exportiert", erklärt Yi.
Keine Politik für Frauen
Auch in der Politik in China sind Männer dominant. Die oberste Führungsriege der Kommunistischen Partei, die sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses, sind alle Männer. Aus dem zweitwichtigsten Gremium, dem Politbüro, ist im Oktober die einzige Frau ausgeschieden. Keine ist nachgerückt. Zuletzt gab es das vor einem Vierteljahrhundert.
Weil Frauen in der chinesischen Politik keine Entscheidungen träfen, werde in China keine Politik für Frauen gemacht, sagt Valerie Tan vom Chinaforschungsinstitut Merics in Berlin. Frauen würden in China stark benachteiligt und auch deswegen immer weniger Kinder zur Welt bringen. "Frauen werden in eine äußerst prekäre wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage versetzt. Und das verheißt nichts Gutes für die Geburtenrate und für Chinas zukünftige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung."
Daten deuteten darauf hin, dass die Gesellschaft schnell schrumpfen werde. Eine Entwicklung, die durch die Null-Covid-Politik nochmal verstärkt werde, erklärt Tan. "Das Ergebnis sind wirtschaftliche und gesellschaftliche Verunsicherung. Und das macht es noch schwieriger, Frauen davon zu überzeugen, mehr als ein Kind zu haben oder überhaupt ein Kind zu bekommen."