Krieg in Nahost Blick in die Tunnel des Gazastreifens
Nahe der Grenze bietet Israels Armee Journalisten Einblick in einen Tunnel unter dem Gazastreifen. Er sei Teil eines ganzen Systems der militant-islamistischen Hamas. Der Preis, all das zu vernichten, ist hoch.
Was früher ein schwer bewachter Grenzübergang zwischen Israel und dem Gazastreifen war, ist heute Kriegsgebiet. Aus der Ferne hört man Maschinengewehre, Panzer sind unterwegs. Am 7. Oktober hatten hier - nordöstlich von Gaza-Stadt - die Terroristen der Hamas und anderer Organisationen Israel angegriffen, die Grenzanlagen zerstört, Menschen getötet und Geiseln genommen. Doch nicht nur das wollen die israelischen Streitkräfte heute zeigen - es geht um etwas anderes.
"Wir müssen verstehen, dass dieses Tunnelnetzwerk des Terrors der Grund dafür ist, dass es so viel Zerstörung im Gazastreifen gibt", sagt Doron Spielman, ein Sprecher der Armee. "Sie haben diese Tunnel direkt unter Wohnhäusern gebaut. Mit Terroristen, mit Raketen und Granaten." Um Tunnel zu bekommen, hätten sie die Wohnhäuser oben in große Gefahr gebracht. "Deshalb wollen wir, dass die Leute verstehen, was passiert."
Bagger der Armee haben ein Loch aufgerissen, durch das man in einen der Tunnel gelangen kann.
Netz soll Hunderte Kilometer umfassen
Doch hier stehen keine Wohnhäuser, sondern hinter großen Haufen Sand führt ein großes Loch in den Abgrund. Das haben Bagger der israelischen Armee aufgerissen. Tunnel wie diesen gibt es nach israelischen Angaben überall im Gazastreifen. Hunderte Kilometer soll das Netz lang sein.
"Das ist der Bauchnabel, das Herz. Das Herz der Hamas ist in diesen Untergrund-Tunneln." So lebten sie, dort versteckten sie sich, so kommunizierten sie, bewegten sich von einem Ort zum anderen und lagerten ihre Munition, zählt Spielman auf. Die Eroberung und Zerstörung der Tunnel sind der Schlüssel, um die Hamas zu zerschlagen.
Nur ein paar Meter geht es hinein, gerade so viel, dass man eine Idee bekommt. Eine solide, große Röhre ist das. Mehrere können bequem nebeneinander laufen. Es gibt Stromkabel - und es geht nach unten. Arye Shalicar, ein deutschsprachiger Sprecher der israelischen Streitkräfte, beschreibt die Szenerie.
300 bis 400 Meter bis zur Grenze
"Wir sind in einem Tunnel der Hamas, circa 300 bis 400 Meter von der Grenze zu Israel", so Shalicar. "Wir sind da jetzt rübergelaufen. Das ist einer der größten Tunnel, die wir bis jetzt entdeckt haben." Er sei ungefähr 50 Meter tief, vier Kilometer breit - "und natürlich im nördlichen Gazastreifen positioniert. Extra an der Grenze zu Israel, um im Ernstfall natürlich diesen Tunnel einzusetzen."
Am 7. Oktober sind hier keine Terroristen ans Tageslicht gekommen, so viel scheint klar. Aber noch ist nicht das ganze Tunnelsystem gesichert, nicht alle Abzweigungen sind bekannt. Auch deswegen begleiten uns schwer bewaffnete Soldaten. Denn noch immer könnten sich in den Gängen Kämpfer aufhalten.
Ausmaß der Zerstörung wird nicht gezeigt
"Wir haben diesen Tunnel entdeckt, und dieser Tunnel ist eigentlich wie eine kleine unterirdische Stadt", sagt Armeesprecher Shalicar. "In dieser kleinen unterirdischen Stadt kann man leben, man kann hier duschen, man kann hier schlafen." Man könne auch Menschen gefangen halten. "Es gibt hier Gefängniszellen, es gibt hier Ventilation, es gibt hier Kommunikation - also wirklich aufgebaut für einen längeren Aufenthalt."
Was wir sehen, ist, mit welchem Aufwand die Hamas ihr Tunnelsystem ausgebaut hat. Es gibt sogar Aufnahmen, die den Bau dieses Tunnels zeigen sollen. Was nicht gezeigt wird, ist, wie Israel gegen das Tunnelsystem im Gazastreifen vorgeht. Denn das sorgt oft an der Oberfläche für gewaltige Zerstörung - und den Berichten aus dem Gazastreifen zufolge für viele zivile Opfer.
Shalicar hat noch eine Botschaft: Die Terroristen im Gazastreifen hätten einen Großteil ihres Geldes in zwei Dinge investiert, sagt der Armeesprecher: in Raketen und in die Tunnel. Der Preis, all das zu vernichten, ist hoch in diesem Krieg. Er besteht in der flächendeckenden Zerstörung des Gazastreifens - und in vielen Opfern auf beiden Seiten.