Evakuiertes SOS-Kinderdorf Das Leben nach dem Krieg für Kinder aus Gaza
Die Organisation war nervenaufreibend, die Fahrt dauerte drei Tage, doch am Ende konnten 68 Kinder des SOS-Kinderdorfs aus Rafah nach Bethlehem evakuiert werden. Hier beginnt für sie nach dem Kriegstrauma nun ein neues Leben.
Ammar packt seinen kleinen Rucksack: Mit einem Ruck am Reißverschluss startet für ihn eine weitere neue Etappe in seinem Leben. "Wir werden dort vieles bekommen - Bildung, neue Sachen und auch neue Freunde. Mit ihnen kann ich dort spielen. Ich freue mich darauf."
Ammar ist 13 Jahre alt und ist eines der 68 Kinder, die Mitte März aus dem SOS Kinderdorf in Rafah im umkämpften Gazastreifen nach Bethlehem evakuiert worden waren. Bisher war er platzbedingt dort in einem Hotel untergebracht. Nun kann der Junge in das SOS Kinderdorf wechseln.
Hier fühle er sich geborgen und sei sicher. "Als wir aus Gaza rauskamen, war die Lage sehr traurig. Jetzt nicht mehr. Ich habe es akzeptiert, und freue mich auf das, was jetzt kommt."
Fahrt dauert drei Tage
Es war eine spektakuläre Aktion, als die 68 Kinder, die meisten von ihnen Waisen, und einige ihrer Betreuer den Gazastreifen mitten im Krieg verlassen konnten. Fast fünf Monate hatte Ghada Hirzallah, die Direktorin der SOS Kinderdörfer in den palästinensichen Gebieten, mit allen Seiten verhandelt. Nach langwierigen Geheimverhandlungen, zermürbenden Wochen des Hoffens und Bangens, kam schließlich das Ok - auch der israelischen Behörden.
"Es war das schwierigste und komplizierteste Projekt meines Lebens", erinnert sich Hirzallah. "An einem bestimmten Punkt dachte ich, es wird nicht klappen. Aber dass ich die Kinder jetzt sehe, sie berühren kann, dass sie raus sind aus der Kriegszone, ist für mich wie ein Traum."
Ein Traum, der immer wieder zu scheitern drohte. Drei Tage dauerte die Fahrt aus Rafah im Gazastreifen nach Bethlehem ins Westjordanland. Der Bus, in dem die Kinder saßen, musste immer wieder stoppen. Manchmal stand er sechs Stunden.
Samy Ajjour, der Leiter des SOS Kinderdorfes in Rafah, durfte die Kinder während der Evakuierung aus Rafah begleiten: "Das waren die schwierigsten Tage meines Lebens. Nichts war sicher, wir wussten nicht, was uns während der Fahrt erwartet." Dazu kam, dass nur drei Betreuer sich um so viele Kinder hätten kümmern müssen. "Das war alles andere als einfach."
Auch nach der Evakuierung. Psychologe Mutaz Lubbad kümmerte sich schon in Rafah um die Kinder. Er weicht auch im SOS Kinderdorf in Bethlehem nicht von ihrer Seite: "Die meisten Kinder hatten anfangs Angst. Wir wussten nicht, ob dieses Gefühl länger bleiben würde." Er erinnere sich daran, wie ihn ein Kind fragte: "Mutaz, an dem Ort, wohin wir gehen - werde ich da auch Angst haben?"
Im SOS Kinderdorf in Bethlehem wussten alle um die schwierige Aufgabe. Nicht nur für Direktorin Ghada Hirzallah war es eine immense Herausforderung - denn die Kinder waren durch die Kriegserlebnisse traumatisiert. "Sie haben eine Menge Dinge gesehen. Wir haben daher für die Kinder verschiedene Pläne ausgearbeitet."
Ammars Traum von einer Fußballer-Karriere
Es gehe um psychisch-soziale Unterstützung, ebenso um medizinische Hilfe. "Was sie sofort benötigten, war eine regelmäßige Ernährung, sie mussten zunächst einfach essen." Dann sei es an spezielle Bildungspläne für sie gegangen. "Sie mussten einfach in ein normales Leben zurückfinden. Es sind Kinder. Sie verdienen es."
Für den 13-jährigen Ammar ist Bethlehem sein neues Zuhause. Am liebsten spielt er Fußball, wie so viele Kinder in seinem Alter. Und wie andere Kinder hat auch er Träume: Er möchte Fußballspieler werden, und als Stürmer für die palästinensische Mannschaft auflaufen. Ein Vorbild hat er schon: "Messi".