Krieg in Nahost "Humanitäre Lage im Gazastreifen außer Kontrolle"
Der Krieg zwischen der Hamas und Israel wird wohl noch Wochen dauern. Doch man schaffe es nicht, die Zivilisten im Gazastreifen zu schützen, sagt die Beauftragte der Bundesregierung für humanitäre Hilfe.
Die Kämpfe sind heftig im Süden des Gazastreifens, vor allem in Chan Yunis, dem größten Ballungsraum. Israels Bodentruppen treffen dort auf heftigen Widerstand.
Und mitten drin: die Zivilbevölkerung. Khuloud Al-Sultan hat für sich und ihre Familie ein Zelt aufgebaut. Sie weiß nicht mehr wohin, und auch die Versorgung ist schwer: "Essen zu bekommen ist schwierig, es gibt nichts zu essen, es ist im Grunde nicht verfügbar", sagt sie. "Wir haben seit einer Woche kein Brot mehr, es gibt keins. Selbst wenn wir etwas bekommen, gebe ich es den Kindern. Mein Mann und ich essen nicht. Wir können geduldig sein, aber die Kinder können das nicht."
85 Prozent der Menschen sind Binnenvertriebene
Der Druck auf Israel wächst, bei diesem Krieg die humanitäre Lage der Menschen im Gazastreifen stärker in den Blick zu nehmen. 85 Prozent der Menschen dort sind inzwischen zu Binnenvertriebenen geworden.
Ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation sagte am Freitag in Genf, es gehe um mehr als um Selbstverteidigung. Auch US-Außenminister Antony Blinken hatte am Donnerstag noch einmal betont, die Zivilbevölkerung müsse geschützt werden.
"Nach dem Ende der humanitären Pause ist es zwingend erforderlich - und bleibt unbedingt erforderlich - dass Israel dem Schutz der Zivilbevölkerung einen hohen Stellenwert einräumt", sagte Blinken. Es gebe weiterhin eine Kluft zwischen der Absicht, Zivilisten zu schützen und den tatsächlichen Ergebnissen.
"Humanitäre Lage außer Kontrolle"
Auch die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, Luise Amtsberg, war in diesen Tagen in der Region und hat mit Vertretern auf israelischer und palästinensischer Seite gesprochen. Sie forderte mehr humanitäre Güter für den Gazastreifen, mehr Personal, um die Menschen dort zu versorgen und humanitäre Feuerpausen, damit die Menschen sich in Sicherheit bringen können.
Es gelinge Israel zur Zeit nicht, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu schützen, sagte Amtsberg von den Grünen: "Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist außer Kontrolle geraten. Es fehlt an allem." Nicht nur das Kriegsgeschehen selbst führe zu Tausenden von Toten. Auch die humanitäre Situation habe sich mittlerweile so entwickelt, dass Krankheiten und der Verlust von Infrastruktur das Leben der Menschen bedrohe.
Menschen in Israel weiter traumatisiert
Viele Menschen in Israel sind indessen weiter vom Terror des 7. Oktober traumatisiert. Auch am Freitag versammelten sich in Tel Aviv wieder Angehörige der mehr als 130 Menschen, die noch immer im Gazastreifen verschleppt sind.
Getrauert wurde auch um einen im Gazastreifen getöteten Soldaten. Gal Eisenkot war der Sohn eines ranghohen Ministers im Kriegskabinett und ehemaligen Generalstabschefs. Bei der Trauerfeier appellierte Israels Verteidigungsminister Benny Gantz, diesen Krieg gegen den Terror aus dem Gazastreifen vereint zu führen: "Die nationale Last im gerechtesten Krieg ist schwer, schwierig und schmerzhaft. Nur eine Führung, die Teil des Volkes ist, könnte sie tragen. Nur die Armee des Volkes wird gewinnen."
Dieser Krieg wird Beobachtern zufolge noch wochenlang geführt werden. Und die humanitäre Lage im Gazastreifen dürfte sich weiter verschärfen.