"Sicherheitsgesetz" in Hongkong EU befürchtet weitere "Aushöhlung der Grundfreiheiten"
Mit dem neuen "Sicherheitsgesetz" will Hongkongs Peking-treue Führung verstärkt gegen Oppositionelle vorgehen. Im Westen stößt das auf massive Kritik. Die EU etwa sieht die Menschenrechte bedroht - aber auch Hongkong als Wirtschaftsstandort.
Nach Beschluss des neuen "Sicherheitsgesetzes" in Hongkong haben internationale Organisationen, westliche Staaten und Menschenrechtler Kritik daran geäußert. Der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, zeigte sich besonders besorgt über die möglichen Auswirkungen des Gesetzes auf die Rechte und Freiheiten der Menschen in der chinesischen Sonderverwaltungsregion.
Nach der Annahme des umstrittenen Gesetzes durch den Peking-treuen Legislativrat in Hongkong ließ Borrell in einer Stellungnahme verlauten, es könne "die Aushöhlung der Grundfreiheiten und des politischen Pluralismus verschärfen".
Auswirkungen auf Europäer in Hongkong möglich
Das Gesetz könne aber auch die Arbeit der EU-Vertretung und der Generalkonsulate der EU-Staaten in Hongkong "erheblich beeinträchtigen" und sich auf europäische Bürger, Organisationen und Unternehmen in der asiatischen Metropole auswirken. "Das wirft auch Fragen über die langfristige Attraktivität Hongkongs als internationales Wirtschaftszentrum auf", sagte der EU-Außenbeauftragte.
"Besonders besorgniserregend" sind laut Borrell die umfassenden Bestimmungen und vagen Definitionen, die sich auf "ausländische Einmischung und Staatsgeheimnisse" beziehen.
Türk: "Es ist beunruhigend"
Die Vereinten Nationen (UN) kritisierten zudem den Prozess hinter dem Beschluss des Gesetzes. Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk sagte dazu, die Verabschiedung des Gesetzes ohne einen gründlichen Beratungsprozess und sinnvolle Konsultationen sei ein Rückschritt für den Schutz der Menschenrechte in Hongkong. "Es ist beunruhigend, dass ein so folgenschweres Gesetz im Schnellverfahren durch die Legislative gepeitscht wurde, obwohl ernsthafte Bedenken bestehen, dass viele seiner Bestimmungen mit internationalen Menschenrechtsstandards unvereinbar sind", sagte Türk.
Das aus Peking-treuen Abgeordneten bestehende Gremium hatte das neue "Sicherheitsgesetz" gestern einstimmig verabschiedet. Den Entwurf dazu hatte die Hongkonger Regierung dem Parlament vor eineinhalb Wochen vorgelegt - mit der Aufforderung es so schnell wie möglich zu verabschieden. Das sogenannte Artikel-23-Paket tritt am 23. März in Kraft.
Neuregelung verschärft bestehendes Gesetz
Das neue Gesetz knüpft an das bestehende "Nationale Sicherheitsgesetz" an. Es sieht harte Strafen für eine ganze Reihe von Handlungen vor, die die Regierung als Gefahr für die nationale Sicherheit einstuft. Für Straftatbestände wie Hochverrat und Auflehnung gegen den Staat droht lebenslange Haft. Auch wer Publikationen besitzt, in denen eine Unabhängigkeit Hongkongs von China gefordert wird, muss mit mehreren Jahren Gefängnis rechnen.
Das ursprüngliche "Sicherheitsgesetz" für die Sonderverwaltungszone Hongkong war 2020 auf Druck der chinesischen Regierung eingeführt worden. Es gilt als massivster Eingriff in die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie, die ihr bei der Rückgabe an China nach dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" für mindestens 50 Jahre versprochen worden war.
Kritik auch aus Großbritannien und den USA
Der britische Außenminister David Cameron sagte, das neue Gesetz untergrabe die Erfüllung völkerrechtlich bindender Verpflichtungen wie der Erklärung zwischen Großbritannien und China über die bürgerlichen und politischen Rechte. "Die weit gefassten Definitionen von nationaler Sicherheit und Einmischung von außen werden es für jene schwieriger machen, die in Hongkong leben, arbeiten und Geschäfte machen", sagte Cameron. Auch werde es die weitere Untergrabung der Meinungs-, Versammlungs- und Medienfreiheit ermöglichen.
Es wird die Kultur der Selbstzensur verfestigen, die heute die soziale und politische Landschaft Hongkongs beherrscht.
US-Außenamtssprecher Vedant Patel sagte, diese Art von Maßnahmen hätten das "Potenzial, die Schließung der einst offenen Gesellschaft Hongkongs zu beschleunigen". Man sei beunruhigt über die weitreichenden und "vage" definierten Bestimmungen des Gesetzes.
Menschenrechtlerin kritisiert Angriff auf Grundrechte
Auch Menschenrechtler kritisierten den Schritt scharf: Das neue Gesetz läute in Hongkong "eine neue Ära des Autoritarismus" ein, schrieb etwa Maya Wang von Human Rights Watch auf der Plattform X, vormals Twitter. "Jetzt kann sogar der Besitz eines kritischen Buches über die chinesische Regierung die nationale Sicherheit verletzen und in Hongkong zu jahrelangen Gefängnisstrafen führen." Hongkongs Regierung solle ihren "aggressiven Angriff auf Grundrechte" beenden.
China wehrt sich gegen Kritik
Die chinesische Regierung wies Kritik entschieden zurück. China bringe nachdrücklich seinen Unmut über die Diffamierung der Hongkonger Sicherheitsregelungen durch einzelne Länder und Institutionen zum Ausdruck, sagte Außenamtssprecher Lin Jian. Das Gesetz habe die Bedeutung eines Meilensteins in der Entwicklung des Prinzips "Ein Land - zwei Systeme". Jeder Versuch, die Vorschriften zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit in Verruf zu bringen, sei zum Scheitern verurteilt, sagte er.
Das Büro für Hongkong- und Macau-Angelegenheiten des chinesischen Staatsrats hatte zuvor bereits mitgeteilt, das Gesetz werde "den Wohlstand und die Stabilität Hongkongs sichern" und die Interessen ausländischer Investoren sowie Demokratie und Freiheit schützen.
Mit Informationen von Eva Lamby-Schmitt, ARD Shanghai