Kriegsdienstverweigerer in Israel Das Nein zur Armee ist ein Tabu
Israels Ministerpräsident Netanyahu sagt, der Krieg in Gaza werde noch Monate dauern. Noch scheint eine Mehrheit der Menschen in Israel dahinterzustehen. Doch einige junge Israelis verweigern den Militärdienst.
Eine Dachterrasse in Tel Aviv, rote Fahnen wehen im Wind: Es ist das Haus einer kommunistischen Partei. Iddo Elam trifft sich hier mit Freunden. Den Krieg lehnen sie ab.
"Wenn ich gegen die Besatzung bin, gegen den Krieg in Gaza, wenn ich in Frieden leben will, muss ich den Wehrdienst verweigern", sagt Elam. "Dieses Blutvergießen geht sonst für immer weiter."
In elf Monaten muss er in einer Kaserne bei Tel Aviv zum Wehrdienst antreten. Der Termin dafür steht schon. Doch der 17-Jährige will den Dienst verweigern - aus Gewissensgründen. Das ist in Israel nicht vorgesehen.
Wehrdienst als verbindendes Element
Die meisten jüdischen Israelis werden im Alter von 18 Jahren einberufen. Männer dienen normalerweise zweieinhalb Jahre, Frauen zwei Jahre. Ausnahmen gibt es zum Beispiel aus religiösen Gründen. So gehen viele ultraorthodoxe Juden nicht zur Armee. Genau wie die meisten arabischen Israelis. Laut offiziellen Zahlen der Armee werden gut zwei Drittel der Männer und mehr als die Hälfte der Frauen einberufen.
Der Wehrdienst ist das verbindende Element in der Gesellschaft. Für viele junge Israelis ist es selbstverständlich, ihr Land zu verteidigen. Wer nicht dabei ist, wird schnell zum Außenseiter. Elam kennt das, in den sozialen Netzwerken bekommt er viel Hass ab.
"Manche dieser Morddrohungen kommen von irgendwelchen Leuten", erzählt er. "Manche davon kenne ich, zum Beispiel aus der Schule. Sie nennen mich einen Idioten, einen Verräter. Dass ich das Land ruiniere und abhauen soll."
Wer verweigert, kommt ins Gefängnis
Elams Freunde und Familie machen sich Sorgen, dass sein Nein zur Armee auch berufliche Nachteile mit sich bringt. Denn keine Armee heißt in Israel: keine Karriere. "Zum Glück unterstützt mich meine Familie sehr. Ich bin in einer sehr linken Familie aufgewachsen", erzählt Elam.
Seine Mutter wolle aber nicht, dass er verweigert. "Sie will, dass ich versuche, ein Attest zu bekommen. Dass ich zum Beispiel aus psychologischen Gründen untauglich bin. Sie macht sich Sorgen, dass ich ins Gefängnis muss. Das ist ja kein Spaß."
Wer verweigert, kommt zuerst in Arrest und dann vor ein Militärgericht. Das schickt Verweigerer in der Regel für einige Wochen ins Gefängnis. Wer dann immer noch nicht zur Armee will, landet wieder im Gefängnis. Oder ein Komitee erklärt ihn oder sie für untauglich - aus psychologischen Gründen.
Elam will ein Beispiel sein
Nicht alle in der Armee kämpfen im Krieg. Viele arbeiten im Büro oder sind zum Beispiel Musiker. Elam spielt Bass. Freunde rate ihm, doch einfach in eine Armee-Band zu gehen.
Doch für den 17-Jährigen kommt das nicht infrage. Er will mit seinem Nein auch ein Beispiel sein für andere: "Menschen, die gegen die Besatzung sind, aber nie darüber nachgedacht haben zu verweigern, werden es sich jetzt vielleicht überlegen und sich unserem Kampf anschließen."
Das Militär von innen zu verändern, erscheint Elam aussichtslos. Führende Militärs sind in seinen Augen radikale Siedler. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und seine ultrareligiösen und rechtsradikalen Koalitionspartner nennt er "faschistisch".
Nur wenige erklären sich öffentlich
Seine Entscheidung zu verweigern, stand schon vor dem aktuellen Krieg in Gaza fest. Doch jetzt sieht Elam sich noch einmal bestätigt. "Wir haben fast jedes Jahr einen Krieg in Gaza und jetzt diese Bodenoffensive - das hat mich noch mal bestärkt. Ich kann es einfach nicht."
Bei früheren Kriegen kam es immer wieder vor, dass einige aktive Soldaten den Dienst quittierten. Im vergangenen Sommer kündigten außerdem Tausende Reservisten an, nicht mehr freiwillig zu den Übungen zu kommen - aus Protest gegen den geplanten Umbau der Justiz.
Offizielle Zahlen, wie viele Menschen aus Gewissensgründen den Wehrdienst in Israel verweigern, gibt es nicht. Nur sehr wenige erklären sich öffentlich. Medien berichten kaum darüber. Das Nein zur Armee ist in Israel ein Tabu.