Risse im Bündnis Wie weiter mit Israels Koalition?
Die Unzufriedenheit mit der Regierung wird immer größer in Israel - nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Koalition selber. Doch ein Bruch wäre für die Koalitionspartner politischer Selbstmord.
Die Töne werden schrill in Israels Regierungskoalition. Allen voran zeigte sich Itamar Ben-Gvir, Minister für Nationale Sicherheit, zuletzt unzufrieden. Seiner Meinung nach war die Reaktion der israelischen Armee auf mehr als 100 auf Israel abgefeuerte Raketen aus dem Gazastreifen zu schwach gewesen.
"Dies ist keine absolut rechte Regierung. Gaza bombardiert uns immer wieder, und die Reaktion ist lasch", sagte Ben-Gvir. "Wenn der Premierminister meine Partei Jüdische Stärke nicht in der Regierung haben will, kann er uns gerne kündigen. Wir werden Abstimmungen im Parlament solange boykottieren, bis der Premierminister verinnerlicht hat, dass es das Ziel dieser Regierung ist, schonungslos rechts zu sein."
Vor allem war Ben-Gvir wohl auch darüber empört, dass er in wichtige Sicherheitsberatungen nicht eingebunden war. Premierminister Benjamin Netanyahus Partei, der Likud, veröffentlichte prompt ein markiges Statement: Allein der Premierminister entscheide, wer ein relevanter Diskussionsteilnehmer sei. Sollte Ben-Gvir das nicht akzeptieren, dann müsse er nicht in der Regierung bleiben.
Kein Bruch, aber große Unzufriedenheit
Vor einem Bruch steht die israelische Regierung noch nicht, da sind sich Beobachter einig. Das liegt auch an den desaströsen Umfragewerten: Käme es zu Wahlen, dann hätte diese Regierung zur Zeit keine Mehrheit mehr. Ein Bruch der Koalition wäre politischer Selbstmord.
Doch die Unzufriedenheit wächst nicht nur bei den nationalreligiösen und zum Teil rechtsextremen Koalitionspartnern von Netanyahu, sondern auch bei den ultrareligiösen Parteien. Meir Porush von der Partei Vereinigtes Tora-Judentum trägt den Titel "Minister für Jerusalem-Angelegenheiten und jüdische Tradition". Seiner Meinung nach hat die Regierung Netanyahu bisher zu wenig geliefert.
Erst seien die Vereinbarungen zum Thema Bildung nicht eingehalten worden, nun heiße es, es werde kein Wehrpflichtgesetz geben, klagt Porush. Er frage sich, warum er zur der Bildung dieser Regierung beigetragen habe. Mit Blick auf die Justizreform fordert er ein Festhalten an den ursprünglichen Plänen: Das Parlament solle Gerichtsentscheidungen mit einer Mehrheit überstimmen können. "Wenn Netanyahu das nicht umsetzen kann, dann soll er kein Premierminister sein und nach Hause gehen."
Justizreform sorgt für größte Spannungen
Die Justizreform sorgt wohl für den größten Frust. Sie hat weite Teile der Bevölkerung gegen die Regierung aufgebracht. Auch im Ausland fragt man sich, ob Israel nach der Reform, die die Gerichtsbarkeit schwächen soll, noch ein demokratischer Rechtsstaat ist.
Inzwischen ist nicht mehr ganz klar, was davon noch durchkommt und was Netanyahu noch will. Das Vorhaben ist in über 150 Einzelgesetze zerfasert und entsprechend recht unübersichtlich geworden - auch, um den Widerstand zu schwächen.
Doch der Schaden, den die Regierung mit dem Reformvorhaben angerichtet hat, ist in den Augen vieler schon jetzt gewaltig. Naftali Bennett, bis Sommer vergangenen Jahres Israels Regierungschef, sieht unter anderem die Wirtschaft beeinträchtigt: "Investoren sind über die Unsicherheit, die es gibt, besorgt. Unser diplomatisches Standing im Nahen Osten und in der Welt verlangt, dass die Ungewissheit verschwindet. Und das gilt auch für die Sicherheitslage - das hängt alles miteinander zusammen."
Wie es mit der Justizreform weitergeht, ist zur Zeit noch unklar. Auch, weil die Regierung gerade ein anderes, wichtiges Problem lösen muss, nämlich einen Haushalt aufzustellen. Bis Ende des Monats ist dafür noch Zeit - und die Begehrlichkeiten sind groß. In den letzten Jahren war es den Vorgängerregierungen nicht immer gelungen. Das wird eine weitere Bewährungsprobe für Netanyahu, der auch bei seinen Koalitionspartnern viel an Vertrauen verspielt hat.