Staatsbegräbnis für Abe in Japan Protest überschattet Trauer
In Tokio hat das Staatsbegräbnis für den ermordeten früheren Premier Abe begonnen. Enthüllungen zu Abes Verflechtungen mit einer dubiosen Sekte führten zu massiven Protesten gegen den Trauerakt.
Zweieinhalb Monate nach der Ermordung von Shinzo Abe findet in Tokio ein hochumstrittenes Staatsbegräbnis für den früheren Premier Japans statt. Es bildet den vorläufigen Höhepunkt einer innenpolitischen Krise in Japan. Dabei geht es vor allem um den Einfluss religiöser Institutionen auf die Politik.
Immer wieder hatte es in den vergangenen Wochen lautstarke Proteste gegeben - was sehr unüblich in Japan ist. Laut aktuellen Umfragen sind über 60 Prozent der Japanerinnen und Japaner gegen den Staatstrauerakt. Mehr als 400.000 Menschen unterzeichneten eine entsprechende Petition im Internet. Zuletzt steckte sich ein Mann in der Nähe des Regierungssitzes in Tokio aus Protest sogar in Brand.
Proteste gegen ein Staatsbegräbnis für Abe in Tokio
Abe in Japan sehr umstritten
Die Volksseele kocht. "Der Staat will etwas durchziehen und dafür sehr viel Geld ausgeben, das mehr als die Hälfte des Volks ablehnt. Ich verstehe das einfach nicht und konnte nicht zu Hause sitzen bleiben," sagte eine Demonstrantin bei einem Protest gegen das Staatsbegräbnis.
Umgerechnet fast zwölf Millionen Euro Steuergelder kostet der Trauerakt. Sechs Mal so viel wie ursprünglich vermutet. Darüber würden viele Menschen möglicherweise noch hinwegsehen, wenn die politische Leistung Abes nicht so umstritten wäre.
Engste Verbindungen zur Moon-Sekte
Der Ex-Premier steht in seiner Heimat auch für Vetternwirtschaft, ungeklärte Skandale und eine sehr nationalistische Politik. Die Stimmung kippte aber endgültig, als herauskam, wie eng die Beziehungen zwischen Abe, seiner Liberaldemokratischen Partei, (LDP) und der südkoreanischen Moon-Sekte waren und sind. Für den Mörder von Abe war dies das Tatmotiv - und für die Opposition ist es ein gefundenes Fressen.
Mizuho Fukushima, Abgeordnete der sozialdemokratischen Partei, spricht das aus, was vielen Wählern suspekt ist. "Immer engere Beziehungen zwischen der Regierungspartei und der Moon-Sekte kommen ans Licht. Aber dennoch wird es einen Staatsakt geben. Was glaubt ihr: Ist das nicht letztendlich eine Rechtfertigung für die Moon-Sekte?", fragte Fukushima in einer Rede.
Fumio Kishida steht auf einer Kundgebung zwischen seinen Unterstützern. Der japanische Premier steht aufgrund der engen Verquickung seiner Partei mit der Moon-Sekte unter Druck.
Amtierender Premier unter Druck
Eine ausländische Sekte ist eine wichtige Stütze der übermächtigen Partei in Japan. Das erschüttert das Vertrauen in die LDP, die Umfragewerte sinken rapide: Von deutlich über 50 Prozent auf nur noch knapp 40 Prozent.
Der amtierende Premier Fumio Kishida sieht sich zum Handeln gedrängt. "Es gibt immer noch viele Menschen, die aufgrund von Medienberichten über enge Verbindungen zwischen Politikern der Liberaldemokratischen Partei Japans, einschließlich der Ministerinnen und Minister, und der Moon-Sekte besorgt und misstrauisch sind. Als Parteivorsitzender möchte ich mich aufrichtig entschuldigen," so Kishida.
Einfluss der Sekte auf Politik
Tatsächlich gibt fast die Hälfte der LDP-Abgeordneten zu, Kontakte zu der Sekte zu haben. 14 Personen in seinem Kabinett hat Kishida schon ausgetauscht.
"Die Minister, Vizeminister und parlamentarischen Staatssekretäre meines Kabinetts haben sich verpflichtet, zu überprüfen, ob die eigenen Beziehungen zur Moon-Sekte weiter bestehen und gegebenenfalls alle Verbindungen zu ihr abzubrechen," erklärte Kishida weiter.
Am Umfragetief ändert das vorerst nichts. Auch weil mindestens drei Mitglieder des neuen Kabinetts in der Vergangenheit Geld an die Moon-Sekte gespendet haben. Der Einfluss religiöser, teils dubioser, Institutionen auf die Politik bleibt. Und so lange bleiben wohl auch die für Japan ungewöhnlich lauten Proteste.