Debatte nach Einigung der G7 Der Ölpreisdeckel - mit welchen Konsequenzen?
Voraussichtlich ab Montag soll eine Preisobergrenze für russische Ölexporte gelten. Gleichzeitig startet das EU-Ölembargo. Wie wird der Deckel funktionieren? Kann Russland ihn umgehen? Und welche Auswirkungen hat die Maßnahme auf den Ölpreis?
Voraussichtlich ab Montag soll eine Preisobergrenze für russische Ölexporte gelten. Gleichzeitig startet das EU-Ölembargo. Wie wird der Deckel funktionieren? Kann Russland ihn umgehen? Und welche Auswirkungen hat die Maßnahme auf den Ölpreis?
Was ist die Preisobergrenze und wie soll sie funktionieren?
Die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten (G7), Australien und die EU haben sich auf eine Preisobergrenze für russische Ölexporte in Höhe von 60 Dollar pro Barrel geeinigt. Für den Preisdeckel setzt die EU den Hebel bei den Schiffstransporten und den dafür nötigen Dienstleistungen wie Versicherungen an. Europäische Reedereien betreiben nach Angaben von Brüsseler Beamten mehr als die Hälfte aller Tanker auf der Welt.
Das Prinzip lautet: Fuhren mit russischem Öl in Drittstaaten sind verboten - es sei denn, der Preis für die Ladung liegt nicht höher als der Deckel. Anders gesagt: Wird die Preisgrenze eingehalten, können westliche Reedereien mit ihren Schiffen weiter russisches Öl nach Indien, China oder in andere Länder bringen. Dieselbe Regelung soll für Dienstleistungen wie Versicherungen, technische Hilfe sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste gelten.
Was könnte die Maßnahme bewirken?
Die Hoffnung ist, dass die Preisobergrenze zu einer Entspannung an den Energiemärkten führt und Drittländer entlastet. Sie soll auch dafür sorgen, dass Russland nicht mehr von Preisanstiegen für Öl profitiert und damit seine Kriegskasse füllen kann.
Nach Angaben von Estlands Regierungschefin Kaja Kallas könnte jeder Dollar weniger pro Barrel (159 Liter) die russischen Einnahmen aus dem Ölverkauf um zwei Milliarden Dollar (1,9 Mrd Euro) pro Jahr drücken.
Warum der Ölpreisdeckel - es gibt doch schon ein Embargo?
Das Projekt wurde maßgeblich von den Amerikanern vorangetrieben, die befürchteten, dass das europäische Einfuhrverbot die Preise für nicht-russisches Öl und damit auch für Benzin in die Höhe treiben könnte. Das Embargo tritt am Montag in Kraft. Die Verordnung dafür sah außerdem kein Transportverbot vor - Tanker aus europäischen Staaten hätten also weiter russisches Öl in Drittstaaten transportieren können - auch teures Öl.
Wird die Rechnung aufgehen?
Das ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Schon die Aussicht auf eine Preisobergrenze setzte die Rohölpreise unter Druck. Doch sagt Russland, es wolle kein Rohöl an Länder verkaufen, die sich an den Preisdeckel halten. Hielte Moskau das durch, könnte es zu einer Verknappung und damit steigenden Preisen führen. Es kommt deshalb stark darauf an, wie sich etwa China, Indien oder Ägypten verhalten, die derzeit einen großen Teil des russischen Erdöls kaufen.
Was das Embargo angeht, werden russische Produzenten wahrscheinlich nicht die Gesamtmenge ihres Öls umleiten können, das normalerweise nach Europa geht. Europa war der größte Kunde für russisches Öl. Es ist wahrscheinlich, dass - zumindest vorläufig - ein Teil des Öls keinen Zugang zum globalen Markt haben wird.
Analysten von der Commerzbank halten es für möglich, dass das EU-Embargo und die Preisobergrenze dazu führen könnten, dass Anfang 2023 "eine erhebliche Verschärfung" des Ölmarkts zu beobachten ist.
Wie könnte Russland dem Preisdeckel begegnen?
Edoardo Campanella von der italienischen Bank Unicredit sieht einige Möglichkeiten: "Moskau könnte entweder reagieren, indem es seine Ölexporte vollständig vom Markt nimmt - oder indem es eine Untergrenze für den Preis seines Rohöls festlegt und Exporte zu einem Preis unterhalb dieser Schwelle verbietet."
Darüber hinaus könnte Moskau versuchen, den Preisdeckel etwa mit einer Verschleierung des Seetransports zu umgehen. "Russland könnte auch Vergeltung üben, indem es seinen Einfluss innerhalb der Opec+ nutzt, um auf weitere Förderkürzungen zu drängen und so die globale Energiekrise zu verschärfen."
Ist die Preisobergrenze von 60 Dollar ausreichend?
Die jetzt beschlossene Preisobergrenze von 60 Dollar werde kaum Auswirkungen auf die russischen Finanzen haben, sagte der Energiepolitik-Experte Simone Tagliapietra von der Denkfabrik Bruegel in Brüssel. Sie werde "fast unbemerkt bleiben", weil das annähernd der Wert sei, zu dem russisches Öl bereits verkauft werde. "Die Obergrenze könnte mit der Zeit gesenkt werden, wenn wir den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin erhöhen wollen", sagte Tagliapietra weiter.
"Das Problem ist: Wir haben bereits viele Monate damit verbracht, auf eine Maßnahme zu warten", mit der die Ölprofite Putins eingeschränkt würden. Ein Chefökonom am Institute of International Finance in Washington, Robin Brooks, hatte vergangene Woche bei Twitter argumentiert, eine Preisobergrenze von 30 Dollar würde "Putin die Finanzkrise bescheren, die er verdient".
Das Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj forderte, die Preisobergrenze herabzusetzen. "Es wäre nötig, sie auf 30 Dollar (pro Barrel) zu senken, um die Wirtschaft des Feindes schneller zu zerstören", schrieb Büroleiter Andrij Jermak bei Telegram. Für diese Grenze hatte sich auch Polen eingesetzt.
Eine Expertin für Sanktionen am International Institute for Strategic Studies in Berlin, Maria Shagina, sagte, "60 Dollar sind besser als sich überhaupt nicht einig zu werden". Es sei den Ländern möglich, die Preisobergrenze später zu verschärfen.
Nach Einschätzung der Energie-Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) würde der Ölpreisdeckel Russlands Kriegskasse durchaus stark treffen. "Russland wird es empfindlich treffen, die Einnahmen werden nicht mehr so üppig sein", sagte sie im Deutschlandfunk.
Wird Heizöl in Deutschland jetzt billiger?
Das ist schwer zu sagen. "Inwieweit es zu indirekten Effekten auf dem europäischen Rohölimportmarkt kommt, hängt von mehreren Faktoren ab", erklärt der Wirtschaftsverband Fuels und Energie. Dazu gehören die Höhe des Preisdeckels, die russische Reaktion sowie die Frage, ob es Kontrollen der genutzten Tankerflotte gebe.
Grundsätzlich entwickeln sich der Heizölpreis und der internationale Preis für Rohöl in dieselbe Richtung, wenn auch mit etwas Zeitverzug. Allerdings ist zu beachten, dass auf den Heizölpreis neben dem Erdölpreis auch andere Faktoren einwirken. Dazu gehören öffentliche Abgaben wie die Mehrwertsteuer oder die CO2-Abgabe, aber auch die Transport- und Lagerhaltungskosten der Unternehmen.
Wirkt sich der Ölpreisdeckel auf den Spritpreis aus?
Der ADAC-Kraftstoffmarktexperte Christian Laberer erwartet keine gravierende Auswirkung des Ölpreisdeckels auf die Spritpreise. "Letztlich kommt es darauf an, ob der Deckel die Ölpreise drückt oder im Gegenteil zum Steigen bringt", sagt er.
In beiden Fällen würden aber andere Faktoren wie die Entwicklung der globalen Konjunktur oder das Embargo gegen russisches Öl wohl stärker auf den Ölpreis wirken. "Die Entwicklung beim Ölpreis sollte sich auch an den Zapfsäulen widerspiegeln. Zuletzt haben die Spritpreise wieder auf den Ölpreis reagiert. Ganz grundsätzlich sind sie aber immer noch zu hoch - insbesondere bei Diesel."
Quelle: Mit Informationen von AP und dpa.