Scholz in Asien Werben in schwieriger Weltlage
Kanzler Scholz ist zu Beginn seiner Asienreise in Vietnam eingetroffen. Im Land, das mit Deutschland historisch eng verbunden ist, steht der Kanzler vor einem Balanceakt zwischen Wirtschaftsinteressen und Menschenrechtsfragen.
Schon wieder zieht es den Kanzler und eine große Wirtschaftsdelegation nach Asien, dieses Mal ins unmittelbare Umfeld des Handelsgiganten China. Vietnam als rasant wachsende, aufstrebende Mittelmacht, Singapur als bedeutender Standort deutscher Unternehmen in der Region.
Eine wichtige Reise - findet sogar die Opposition: "Grundsätzlich ist wichtig, dass man Asien im Ganzen ins Auge nimmt und diversifiziert. Und dass man die großen Player in Asien mit ins Auge nimmt", sagt Peter Aumer von der CSU. "Die deutsche Wirtschaft macht das, und da ist auch wichtig, dass die Politik ihre Schwerpunkte setzt." Aumer ist Mitglied in der ASEAN-Parlamentariergruppe. Erst im Sommer war er mit dem Bundespräsidenten in Singapur und Indonesien.
Die wirtschaftliche Diversifizierung, die die Bundesregierung nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine allmählich entdeckt hat, unterstützt auch der CSU-Abgeordnete. Aumer sagt, er habe in Indonesien viel positives Feedback bekommen: "Da war tatsächlich die Freude da, dass Deutschland stärker den Fokus wieder auf die südasiatischen Länder legt, und ich glaube, dass da ein großes Potential ist, wenn man sich das Wachstum des BIP anschaut bis 2050."
Spezialfall Vietnam
Vietnam, das erste Land auf der Scholz-Reise, ist dennoch ein Spezialfall. Frank Müller-Rosentritt, Asien-Experte der FDP-Fraktion, verweist auf die historischen Verflechtungen beider Länder. "Historisch bedingt durch die 100.000 Gastarbeiter, die aus Vietnam in der DDR gewesen sind," erklärt er. Sie hätten dort studiert und gearbeitet. "Dadurch hat man eine gewisse Nähe in der Bevölkerung - was nicht heißt, dass die Menschen, die hier leben, eine gewisse Nähe zum Regime in Vietnam haben, das muss man ganz klar unterscheiden."
Auch die Menschenrechtslage ist heikel in der sozialistischen Republik. Boris Mijatovic von den Grünen nennt die Reise daher einen Balanceakt: etwas zu erreichen und ein Problem anzusprechen. "Mir nützt es nichts, wenn er da knallhart auftritt, Fäuste auf den Tischen und Türenschlagen, wenn die Situation sich nicht verändert."
Heikel: Todesstrafe in Singapur
Da der Bundeskanzler bislang eher selten mit Fäusten auf Tischen gesichtet wurde, erscheint diese Sorge Mijatovics unbegründet. Den Grünen-Menschenrechtsexperten treibt noch etwas anderes um: Singapur, das Asien-Paradies der deutschen Wirtschaft, hat gerade erst wieder einen Menschen hingerichtet - einen geistig Behinderten. "Das ist schon etwas, wo man auch Singapur sehr deutlich sagen muss, das ist für uns eine Grenze, das könnt ihr so nicht machen", meint Mijatovic.
Pikanterweise findet zeitgleich zur Asienreise des Kanzlers in Berlin der Weltkongress gegen die Todesstrafe statt. Ansprechen kann Scholz das Thema auf jeden Fall. Wenn er Zeit dafür findet, bei seinen bilateralen Treffen mit Premierminister und Präsidentin. Oder am Rande der Zeremonie, bei der eine Orchidee nach ihm benannt wird. Zumindest dieser exotische Termin dürfte zu den angenehmen der Reise gehören.