Quotenregelung der Regierung Tote bei Studentenprotesten in Bangladesch
Seit Tagen gibt es in Bangladesch heftige Studentenproteste. Anlass ist eine umstrittene Quotenregel für die Vergabe begehrter Regierungsjobs. Die Polizei reagiert mit Gewalt: Es gab bereits mehrere Tote.
Sie verschießen Tränengasgranaten, setzen Wasserwerfer ein und vereinzelt auch Schusswaffen: Spezialeinheiten der Polizei, die gegen Demonstranten vorgehen. Es gab Hunderte Verletzte bisher, einige seien gestorben, sagt Studentenführer Hasnat Abdullah: "Sechs Studenten wurden getötet, als sie aus einem berechtigten Grund protestierten. Das schmerzt uns sehr. Wir glauben, dass jeder das Recht hat, zu protestieren. So wie Polizei und Strafverfolgungsbehörden damit umgehen, halten wir es für vorsätzlichen Mord."
Ein unbewaffneter Student sei aus nächster Nähe erschossen worden, sagen sie, dann sprechen sie ein Trauergebet. Für ihn und die fünf weiteren Toten haben sie symbolisch Särge aufgestellt, darüber die grün-rote Flagge von Bangladesch. Das Vorgehen der Polizei gegen die Protestierenden ist zweifellos brutal, und sie wird dabei unterstützt von einem regierungsnahen Studentenverband, dessen Mitglieder als Schläger verschrien sind.
Enkel von Freiheitskämpfern bevorzugt
Innerhalb von drei Tagen ist aus kleinen Protesten eine große Bewegung geworden. Viele Tausend Studierende gehen auf die Straße in der Hauptstadt Dhaka und anderen großen Städten - für Gerechtigkeit und für ihre Zukunft, wie sie sagen. Ein Gerichtsurteil vor einigen Wochen habe ihnen die Chancen auf einen begehrten Regierungsjob genommen. Denn eine vor sechs Jahren gekippte Quotenregelung war dadurch wieder in Kraft gesetzt worden.
Dass es Quoten für Frauen, Menschen mit Behinderungen und sozial Benachteiligte gibt, ist zwar wenig umstritten. Doch ein Drittel aller Stellen im öffentlichen Dienst ist nun wieder für meist regierungsnahe Absolventen reserviert, deren Großeltern als Freiheitskämpfer gelten. Sie hatten 1971 im Unabhängigkeitskrieg gekämpft, als das frühere Ostpakistan zu Bangladesch wurde. Dabei sei doch Leistung heute das Wichtigste, und nicht Ereignisse vor über 50 Jahren, meinen die Demonstranten.
"Wir fordern eine vernünftige Reform des Quotensystems", sagt der Student Swapon der Nachrichtenagentur AFP. "Wir wollten nichts anderes. Ich studiere an der Universität Dhaka. Wenn ich nach sechs Jahren Studium keinen Job bekomme, ist das schlimm für mich und meine Familie. Wird die Regierung hier endlich die Verantwortung übernehmen?"
Regierungsstellen extrem begehrt
Auf eine offene Stelle im öffentlichen Dienst kamen zuletzt gut 130 Bewerberinnen und Bewerber. Regierungsjobs sind extrem begehrt, denn gerade die Jugendarbeitslosigkeit ist groß. Schon 2018 hatte es wegen der Quoten massive Proteste gegeben, Bangladeschs Premierministerin Sheik Hasina hatte sie daraufhin streichen lassen. Ausgerechnet sie war es, die die jetzigen Proteste erst richtig anfachte, indem sie Sonntagabend bei einer Pressekonferenz die Demonstranten praktisch als Verräter bezeichnet hatte. Seither kommt das Land nicht mehr zur Ruhe.
"Wie kann die Regierung so gegen uns Studenten vorgehen?" fragt die Studentin Yasmin. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir normale Studenten sind. Es ist doch eine Frage des gesunden Menschenverstandes, dass man nicht so viele Jobs per Quote vergeben darf. So kann ein Staat nicht normal geführt werden!"
Regierung setzt Quotenregelung aus
Die Regierung ließ nun Unis und Wohnheime schließen, nachdem die Studierenden gedroht hatten, das ganze Land lahmzulegen. Premierministerin Sheik Hasina jedenfalls weiß offenbar, dass sie jetzt Druck herausnehmen muss. Gestern Abend wandte sie sich im Fernsehen an ihr Volk und erklärte, sie werde mit Nachdruck dafür sorgen, dass diejenigen, die Morde, Plünderungen und Gewalttaten begangen hätten, die angemessene Strafe erhielten.
Die Quotenregelung ist zunächst für vier Wochen ausgesetzt. Die Studierenden sollten inzwischen geduldig sein, sagte die Premierministerin. Sie glaube, sagte sie etwas kryptisch, dass sie dann Gerechtigkeit erfahren würden. Zur Beruhigung hat dies wenig beigetragen. Auch heute gingen die Proteste weiter.