Afghanistan UN zählen Hunderte Menschenrechtsverletzungen
Seit ihrer Machtübernahme haben die Taliban stets betont, die Menschenrechte zu wahren - ein UN-Bericht zeichnet ein völlig anderes Bild. Hunderte Menschenrechtsverletzungen führt er auf und beschreibt eine desaströse Lage des Landes.
Die Vereinten Nationen haben die Menschenrechtslage in Afghanistan knapp ein Jahr nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban kritisiert. Es gebe außergerichtliche Tötungen, Angriffe, Verhaftungen, Folter und Vergewaltigungen, heißt es in einem neuen Bericht der UN-Unterstützungsmission für Afghanistan (UNAMA). Ihr Leiter, Markus Potzel, bezeichnete die Ergebnisse als "äußerst schwerwiegend".
Willkür und Gewalt
Die Taliban haben Menschenrechtsverletzungen immer wieder bestritten - ihr Sprecher Sabihullah Mudschahid kritisierte den Bericht als unbegründete und falsche Propaganda.
In dem UN-Report werden jedoch allein 160 Vorwürfe außergerichtlicher Tötungen seit der Machtübernahme der Radikalislamisten im August vergangenen Jahres aufgelistet. 56 Fälle mutmaßlicher Folter und Misshandlung sind dokumentiert und mehr als 170 willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen ehemaliger Regierungsbeamter und Sicherheitskräften.
Am häufigsten werde mit Tritten und Schlägen gefoltert - auch mit Kabeln und Rohren - sowie mit Elektroschocks. Mehr als 200 Mal sollen zudem grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafen angewendet worden sein, etwa Schläge für Ladenbesitzer, die nicht in die Moschee gegangen sein sollen.
Frauenrechte stark eingeschränkt
Der Bericht verzeichnet auch 87 mutmaßliche Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, darunter Mord, Vergewaltigung, Zwangsheirat, Kinderehe und Körperverletzungen.
Entgegen ihrer Versprechungen haben die Taliban außerdem die Mädchenschulen ab der siebten Klasse geschlossen. Afghanistan verliert so die Möglichkeit, von ihren Fähigkeiten zu profitieren, sagt Potzel: "Bildung für alle ist nicht nur ein grundlegendes Menschenrecht, sie ist auch der Schlüssel zu Fortschritt und Entwicklung eines Landes."
Unterdrückte Proteste und schlechte Wirtschaftslage
Proteste und Widerspruch haben die Taliban immer wieder gewaltsam unterdrückt, dazu gehören auch Repressalien gegen Journalisten, Menschenrechtsaktivisten oder mutmaßliche Widerstandskämpfer. Die Bandbreite reiche von Einschüchterungen über Verhaftungen bis zu Mord.
Auch die wirtschaftliche Situation des Landes habe sich noch weiter verschlechtert: 60 Prozent der Afghanen sind demnach von humanitärer Hilfe abhängig - sechs Millionen mehr Menschen als im August 2021.
Zudem herrsche auch weiterhin kein Frieden im Land, obwohl sich die Sicherheitslage verbessert habe: Es gebe weniger bewaffnete Konflikte, dennoch seien von August bis Juni 700 Zivilisten ums Leben gekommen und mehr als 1400 verletzt worden. Die meisten Angriffe auf Zivilisten verübt laut UN der "Islamische Staat" (IS).